Freitag, 30. März 2012

Das System hat mich ausgespuckt

Der Countdown, der im Eingangsbereich der Schule hing, erreichte gestern die Null. Es war mein letzter Schultag. Um beim Aufbau zu helfen stand ich halb fünf auf, schmierte mir eine ordentliche Portion Lippenstift durchs Gesicht und auf die Augen Rouge: der letzte Schultag stand unter dem Thema Horror. Der Horror hat ein Ende, hieß es.
Wir verwandelten die Schule recht erfolgreich in ein Geisterhaus mit Spinnenweben, dunklen Tüchern und Geistergirlanden. Selbst als mehr oder weniger blutige Zombies verkleidet (mir hat an dem Tag niemand hinterhergepfiffen) erschreckten wir die jüngeren Schüler und verteilten Bonbons an diese.
Der zuvor einstudierte Tanz zu Thriller wurde drei Mal vorgeführt: im Park, am Bahnhof und auf dem Schulhof.

Das alles machte ich wie in Trance, denn noch immer konnte ich nicht glauben, dass das mein letzter Schultag sein sollte. Es war ein unwirkliches Gefühl. Ich genoss den Tag, schämte mich für die betrunkenen Mitschüler, sah mich noch einmal genau um, fühlte Wehmut und hatte gleichzeitig genug von der Schule.
Viele werde ich nicht wiedersehen, doch viele waren mir bisher auch schon gleich. Ich stand mit meinen Freunden gemeinsam im Nieselregen und jeder ließ einen Luftballon steigen. Genau wie der Ballon werden auch wir nicht mehr da sein. Es ist ein stetiges Kommen und Gehen. Jedes Jahr habe ich den Abiturjahrgang bei ihrer Feier beobachtet und mir versucht, die Gesichter einzuprägen, doch der Großteil davon war jedes Mal schnell vergessen. Menschen, denen man täglich entgegenlief waren plötzlich nicht mehr da und man vermisste sie bald nicht mehr. Nun werde ich einer der Abwesenden sein.

Zuletzt war mein Jahrgang allein auf dem Hof, das Publikum aus Lehrern und jüngeren Schülern war gegangen oder auf dem Weg.
Unter grauem Himmel kamen einigen die Tränen. Ich war entschlossen, mich nicht der Sentimentalität hinzugeben, doch als sich mir eine Freundin in den Arm warf und weinte, spürte ich auch eine Träne die Wange entlanglaufen.
Es stimmt nicht, dass der Horror ein Ende hat, denn es war nie Horror. Die Schulzeit war für mich eine wunderschöne Zeit, die mir viele Erfahrungen, angenehme Erinnerungen und vor allem einige wirkliche Freunde beschert hat. Ich würde daran nichts ändern wollen. Obwohl, ich hätte schon im siebenten Schuljahr an der Biologieolympiade teilnehmen können...

Innerlich fühle ich eine gewisse Leere und gleichzeitig den Drang, Neues zu erleben.

Neu war sicher auch die Abiturprüfung in Deutsch, die ich heute geschrieben habe. Einerseits war es nur eine Klausur und andererseits war es mehr. Gemischte Gefühle.

Und doch nagt der Gedanke der vollendete Schulzeit noch an mir. So fühlt sich wahrscheinlich die Vergänglichkeit an, sie ist immer da und nie bemerkt man sie.
Zeit vergeht, Zeit verinnt, vergiss niemals, du wirst alt mein Kind.
Es gehört zum Leben.

Immerhin kann ich nun auch wieder einmal ein Buch lesen, das nicht auf der Liste der Püfungsschwerpunkte vermerkt ist. Ein lachendes und ein weinendes Auge.
Ich glaube, ich sollte skaten gehen - das hilft gegen zu viele Gedanken.

Apfelkern

Mittwoch, 28. März 2012

Bauarbeiter trifft Feinstrumpfhose

Die letzten Schultage sind eher erfüllt von Albereien und Spaß als von ernsthaftem Unterricht. Entsprechend des Tagesmottos gekleidet kommen die Schüler mal als Penner oder auch als Rentner und verwirren damit die jüngeren Schüler und amüsieren sich über ihre lustige Kleidung.
Auch wenn ich nicht unbedingt ein Freund des klassischen Karnevals bin, genieße ich diese Möglichkeit für alberne Verkleidungen sehr und komme zum Thema Geschlechtertausch auch gern im Blaumann mit Bauhelm. Ich habe kein Problem damit, mich in diesem Zusammenhang auch einmal einmal zum Obst zu machen, denn ich bin ja nicht allein in meiner ulkigen Kleidung. Ist man aber nicht mehr sicher im Pulk der anderen Verkleideten, taucht das Gefühl des Unbehagens auf.

Jeden Morgen durfte ich mir seit Beginn der Mottowoche das Lachen der Bauarbeiter und anderer Passanten auf dem Schulweg anhören. Na ja, es sieht schon ein wenig komisch aus, wenn jemand in zerschlissener leuchtend violetter Jogginghose und am nächsten Tag mit Blaumann und Helm im Fahrradkorb an ihnen vorbeirauscht. Zumindest kann ich ihre Belustigung nachvollziehen; mir ginge es ja nicht anders.

Das heutige Thema war "Beach and Bed" (yeah, wir sind so damn modern 'cuz we know English, bro!), wobei ich mich für die variante "Bed" entschied. Schließlich ist es einfacher, einfach direkt aus dem Bett zu fallen und loszufahren als sich irgendwelches Strandzeug zusammensuchen zu müssen.
Meine Schlafanzüge erschienen mir aber recht langweilig, da sie teilweise fast wie normale Oberteile beziehungsweise Hosen aussahen und entschlossen, etwas weniger langweiliges zu tragen, wählte ich ein knielanges fliederfarbenes flattriges Satinnachthemd. Oh ja.
Das allein reichte bei den aktuellen Temperaturen nicht, weshalb ich noch eine Feinstrumphose, eine kurze Schlafanzughose, die unter dem Nachthemd fast völlig verdeckt war und zu tiefe Einblicke verhinderte sowie ein einfaches Shirt darunter anzog. Ein paar selbstgestrickte Wollsocken und Hauspantoffeln, ein Kissen und ein Kuscheltier dazu, fertig.
Um den Bauarbeitern nicht wieder die tägliche Lachnummer bieten zu müssen, zog ich für den Weg einfach einen Rock und Stiefel an und versteckte das Nachthemd unter dem Mantel. So sah man nichts von der Verkleidung.

Als ich schließlich die Baustelle passierte, erntete ich kein Lachen. Nein, man pfiff mir nach.
Ungehobelte Bauarbeiter, sobald sie einen Rock sehen drehen sie durch. Na ja, passiert.
Wenig später überholte ich einen Rentner, der langsam vor sich hinzuckelnd Fiffi ausführte. Und was tat er? Richtig, er pfiff mir durch die Dritten hitnerher. Als dann auch noch an einer Bushaltestelle  ein Mann mittleren Alters mir auffällig hinterherstarrte und tatsächlich einen Pfiff abließ, hatte ich die Nase gestrichen voll.

Nur weil ich einen Rock trage, bin ich doch nicht von jetzt auf sofort zu einem dummen Stück willigen Fleisches geworden. Es kann ja sein, dass die Herren in diesem Jahr noch keine Frau mit Rock beobachten konnten und sich daher über meinen Anblick freuten, doch hinterherpfeifen müssen sie mir deshalb noch lange nicht. Dieses offensichtliche Zeigen der Begierde degradiert meiner Meinung nach die Frauen. Komplimente sind etwas wunderbares und ich freue mich natürlich, wenn mir jemand ein solches macht, doch es kommt sehr auf die Art des Komplimentes und denjenigen, der es verteilt an. Ein reines Hinterherpfeifen sagt nur, dass derjenige mir jetzt gern in den Hintern kneifen oder an die Brust fassen wollte. Sehr primitiv und oberflächlich. Degradierend.
Lüsterne Bauarbeiter und sabbernde Rentner gehören nicht unbedingt zu meiner Zielgruppe, doch natürlich fragte ich mich, was die Reaktionen auslöste. Den Rock habe ich schon so oft getragen und nie gab es derartige Rückmeldungen. Allerdings sollte erwähnt werden, dass ich mich bisher stets für eine blickdichte dunkle Strumpfhose entschieden habe, sodass dieses Mal ein Drittel des Unterschenkels und das Knie zu sehen waren. Wie aufregend.
Da kenne ich persönlich noch viel kürzere Röcke.

Wuhuhuuu: Beine!
Reicht denn ein wenig allein von einer Feinstrumpfhose bedeckte Haut, um Männer in hirnlose hinterherpfeifende Zombies mit Speichelfaden zu verwandeln?

Vielleicht kann ich ja dann noch ein paar männliche Leser gewinnen - nach meinem Wissen habe ich erst vier - und damit den aktuell verlorenen Leser ausgleichen.
Irgendwozu muss diese scheinbar instinktive Reaktion auf sichtbare Haut ja auch gut sein.

Selbst attraktiven Männern würde ich nicht hinterherpfeifen oder  etwas derartiges rufen wollen, da ich es auch für mich als bloßstellend empfände und ich so vermutete, dass es ihm nicht anders ginge. Vielleicht ist derjenige ja auch bereits vergeben und das recht rüde Kompliment damit eh sinnlos und unpassend.
Jemanden wegen seines Aussehens in ein Gespräch zu verwickeln und dann ein ehrliches und möglichst nicht zu primitives Kompliment zu machen (geiler Arsch, Süße!) ist meiner Ansicht nach völlig legitim, vor allem, da man es dann auch nicht quer über die Straße brüllt.

Und jetzt sagt mir nicht, es läge allein an der Kleidung, die den Mann quasi zwingt, so zu reagieren. Das erinnert mich sehr an die Argumentation, Frauen hätten selbst Schuld an dem unverständlichen und zu verurteilenden Verbrechen der Vergewaltigung, wenn sie nicht in Sack und Asche gekleidet aus dem Haus gingen.

Ich versuche die Rufe als Kompliment zu nehmen und nicht als Ansage, dass man(n) mich als bloßes Stück Fleisch betrachtet. Trotzdem werde ich vorerst wieder zu blickdichten Strumphosen übergehen. Nein, vorsichtshalber erst einmal nur Hosen.

Apfelkern

Samstag, 24. März 2012

Herzzerreißende Blicke und fordernde Hände

Das schöne Wetter muss genutzt werden und was wäre angenehmer als ein gemütliches Treffen mit Freunden? Man redet, diskutiert, lacht, lästert, probiert die mitgebrachten Köstlichkeiten und vertieft sich in Spiele.
Als Mitbringsel beschloss ich Polentaschnitten zu bereiten, stellte aber fest, dass keine getrockneten Tomaten mehr im Haus waren und machte mich daher auf den Weg zu einem Supermarkt. Noch bevor ich mein Fahrrad anschließen konnte, fiel mir eine kleine dunkelhaarige Frau mit Kopftuch auf, die vor dem Eingang stand und einen Stapel Zeitungen, wahrscheinlich den Straßenfeger, in der Hand hatte. Sie stand unauffällig in der Ecke und ohne dass sie etwas sagte, war ganz klar, was sie wollte: Geld.

Ich vermied es, die Frau direkt anzusehen. Man möchte mit dem Leid anderer nicht konfrontiert werden, doch viel mehr gehe ich davon aus, dass ein direkter Blick und ein freundliches Lächeln von dem um Geld bittenden als Versprechen, genau diese Bitte erfüllt zu bekommen gewertet werden würde.

Ja und - die fünfzig Cent hätten mich nicht umgebracht. Allerdings hätte ich gleichzeitig einen schiefen Blick der Frau erwartet. Na toll, 50 Cent - willst du mich verarschen, Geizkragen? Entweder großzügiger sein oder gleich sein lassen.
Wie viel gibt man bettelnden Personen, um sie zufrieden zu stellen (nennen wir es doch beim Namen: abzuwimmeln) und sie gleichzeitig nicht zu beleidigen? Ein Euro, zwei, fünf? Das Geld fällt niemandem zu und daher gebe ich es ungern, nur weil jemand mich leidend ansieht.
Ich bin nicht verpflichtet, etwas zu geben, auch wenn das schlechte Gewissen genau das impliziert. Der Blick aus traurigen Augen. Dir geht es so unendlich gut. Sieh mich an -willst du wirklich so egoistisch sein mir nichts von deinem Reichtum abzugeben?

Beginnt in der S-Bahn jemand auf seiner Gitarre zu spielen und nervt dabei nicht selten alle Anwesenden mit schiefem Gesang und schlechter Instrumentenbeherrschung, nur um danach Geld zu verlangen, stöhne ich schon innerlich auf sobald derjenige auch nur den ersten Ton anstimmt. Oder die Person geht gleich mit einem Becher umher. Liebe Freunde, ich bin der Jochen und ich bin seit drei Jahren obdachlos. Über eine kleine Unterstützung würde ich mich sehr freuen.
Auch kleine Kinder, die von ihren Akkordeon spielenden erwachsenen Begleitern mit treu-leidendem Dackelblick umhergeschickt werden und den Passagieren fordernd einen Hut vor die Nase halten, erwecken bei mir nicht unbedingt Mitleid, sondern eher Ärger über die Dreistigkeit derer erwachsener Begleiter, das Kindchenschema mit seiner Niedlichkeit so schamlos auszunutzen. Ich wollte die Dienstleistung der Musik nicht. Man hat mir dieses Gejaule aufgezwungen und so bin ich auch nicht bereit dafür zu zahlen. Mir gibt man schließlich auch nichts, nur weil ich vor mich hin summe, die Menschheit mit meinem Gesang terrorisiere oder eine traurige Miene aufsetzte.
Ich habe diese Gedanken und doch fühle ich mich dabei herzlos. Wie kannst du Eisklumpen denn das Leid dieser Menschen ignorieren? Das sind Kinder - wenn du ihnen jetzt nichts gibst, bist du schuld daran, dass sie auch in Zukunft so elend weiterleben müssen!

Manchmal frage ich mich, ob die Bettler der Stadt wirklich alle so arm sind, wie sie es zu sein vorgeben. Natürlich werden einige genau das sein, doch für andere ist das Betteln sicher nur eine profitable Einnahmequelle. Wer sagt denn, dass sie die Kinder nicht zum Betteln zwingen, weil sie das Gewissen effektiver erweichen als ein abgerissener Jochen mit Bernhardiner?
Es sind auch teilweise einfach zumindest in Berlin so viele Bettler  unterwegs, dass man bei deren Anblick schon völlig abgestumpft sie als normalen Teil der Stadtkulisse wahrnimmt. Wechseln die Musikanten in der Bahn an jeder Station in den nächsten Waggon, sodass ein fliegender Wechsel herrscht, hat man bald keine Lust mehr, sich auch nur anzuhören, was seine Freunde in Not so zu erzählen haben.

Freunde, wir sind hier nicht in Bangladesh, Niger oder Haiti! Hier muss niemand ums Überleben fürchten. Hier wird an Übergewicht gestorben und nicht an Unterernährung.

Es gibt genug Projekte und Organisationen in den Städten wie hier beispielsweise die Berliner Stadtmission oder die Berliner Tafel, die sich um die Lebensmittelversorgung und Schlafplätze für Obdachlose oder arme Menschen generell kümmern. An die zu spenden würde sinnvoll sein, aber warum sollte ich dann den Bettlern direkt etwas geben? Damit sie sich davon gleich billigen Wodka und Zigaretten kaufen können? Es ist natürlich nicht korrekt, gleich allen bettelnden diesen Umgang mit dem erhaltenen Geld zu unterstellen, doch der Gedanke drängt sich auf.

Das Ignorieren des Leids ist sicher nicht richtig aber wie echt das sich so offensichtlich präsentierende Leid ist, lässt sich auch nicht immer feststellen.
Und sie geben mir dennoch regelmäßig erfolgreich das Gefühl, hartherzig und unmenschlich zu sein.

Apfelkern

Freitag, 23. März 2012

Sportmusik

Sport ist für viele entweder Leid oder Leidenschaft. Für mich persönlich fällt Sport eher in die Kategorie Leidenschaft, denn ich mag den Rausch der Bewegung und das anschließende Gefühl der Klarheit und der Erschöpfung. Abgesehen davon weiß ich auch den Beitrag des Sports zur Gesundheit zu schätzen, doch sein Erholungs- und Entspannungseffekt ist für mich genauso wichtig.

Schulsport war zeitweise eine Qual (ich verweise dezent auf das Geräteturnen) und teilweise eine Freude, doch meine liebste Sportart bleibt neben Schwimmen, Eislaufen und Pilates das Inlineskaten. Ich liebe die gleitenden Bewegungen, das schnelle Vorwärtskommen, den Gegenwind. Gern fahre ich im Sommer abends meine Runden und genieße die Ruhe. Das Wunderbare ist auch, dass man je nach Stimmung entweder ungestört nachdenken oder auch sämtliche Gedanken verdrängen kann.
Nicht nur allein skate ich, sondern ich nehme regelmäßig mit anderen befreundeten Skaterinnen an größeren Rennen teil. So werden wir auch am nächsten Wochenende am Berliner Halbmarathon teilnehmen, worauf ich mich schon sehr freue. Die Euphorie der Masse, die rufenden Zuschauer und die Vorwärtsbewegung sowie die Kulisse der Innenstadt sind einfach grandios.

Und genau mit solchen Rennveranstaltungen verbinde ich ein ganz bestimmtes Lied, dass zumindest bei den Berliner Rennen immer vor dem Start gespielt wurde. Ein Titel, der mit ein paar Beats die Nervosität schürt und Adrenalin freisetzt und für mich das Rennen perfekt wiedergibt. Erklingt das Lied vor dem Start, dann rolle ich schon Startpunkt wartend aufgeregt auf der Stelle. Das Lied steht für mich für die Vorfreude auf das Rennen. Da ist es sehr passend, dass er "The Race" heißt.
Ursprünglich ist der Titel von der Band Yello, doch das als Originaltitel bezeichnete Stück, das bei YouTube zu finden ist, entspricht nicht der Version, die vor den Rennen gespielt wird; bei der handelt es sich um einen der zahlreichen Remixes, wobei ich aber keines fand, das exakt meinen Erinnerungen daran entspricht. Aber man erkennt auch so die grundlegende Melodie; das sich wiederholende Tonmuster.


Zwar würde ich mir den Titel wie andere Musik nicht spontan einzeln anhören, doch zu einem Inlineskate-Rennen gehört er unbedingt dazu.


Apfelkern


Donnerstag, 22. März 2012

Frühjahrseuphorie

Ich fühle mich beschwingt und leicht. Morgens ist es schon hell, wenn der Wecker klingelt, die Temperaturen bleiben über dem Gefrierpunkt. Endlich braucht man beim morgendlichen Radfahren keine Handschuhe mehr und kann auf die Mütze verzichten ohne dass die Ohren gefroren abfallen. Das Grün treibt aus, die ersten Blüten recken sich der Sonne entgegen und die Vögel singen wunderbar. Wahrscheinlich ist der aufmunternde Vogelgesang neben dem Grün der Pflanzen das, was mir im Winter am meisten fehlt.

Das Jahr hat Knospen gebildet, man weiß, dass man noch Zeit bis zum Sommer hat; Zeit, dieses Jahr zu einem schönen zu machen. Man ist tatendurstig und euphorisch. Ich habe Lust, einfach loszulaufen. Es drängt mich nach draußen, ich sehne mich nach Luft, Sonne, Bewegung und frischem Grün. Es ist die Jahreszeit für Salat aus den ersten zarten Löwenzahnblättern und die ersten Barfußgänge durch den Garten. Zeit, zu sähen und etwas zu schaffen.
Ich möchte laute Musik hören und tanzen, lachen und Zeit mit meinen Freunden verbringen. Den Frühling gilt es in einem Rausch der Euphorie zu genießen und die Wiederauferstehung der Natur zu zelebrieren. Darüber möchte ich gar nicht nachdenken, es reicht für einen Moment einfach, glücklich zu sein. Ich will meine Freude teilen, die Begeisterung weitergeben.
Der Sommer mit seinen lauen Abenden voller Grilldüften, Lachen, Gesprächen und Momenten des Glücks steht bevor; man kann es schon fast spüren. Ich freue mich auf den Sommer mit ausgiebigen Bädern im See und den dazugehörigen Nachtbädern. Sonnencreme, Sonnenbrand, Sommersprossen, Hitzestarre.

Noch aber ist die Wärme sanft und nahezu liebkosend. So wie es die Keimlinge nicht länger in der muffigen Dunkelheit der Erde aushalten, drängt es auch mich ins Licht. Auch wenn ich den Winter liebe, zweifle ich genau das in dieser erwachenden Jahreszeit an. Das Lebendige ist doch so viel aufregender als die ruhende Stille!
Man fühlt sich so bewusst lebendig und doch bleibt man sitzen und lässt sich vom Alltagstrott zum Weitergehen zwingen. Abiturprüfungen, Ostergeschenke, Universitätshomepages, sich häufende Feiern - und schon wird der Frühling, den zu genießen man sich doch vornahm vorbei sein. In seinem Inneren fühlt man den Drang, einfach loszurennen und doch bewegt man sich nicht vom Fleck. Schließlich kann man auch sitzend den Wind im Haar spüren, doch wird er nie so intensiv und nah erscheinen. Am liebsten würde man alles umräumen, hat aber durch den Alltagsstress keine Zeit dafür. Zumindest sagt man sich das und weiß dabei genau, wie viel Zeit man an unnütze Dinge verschwendet.
Dann schlafe ich einfach weniger - den Frühling in all seiner mitreißenden Kraft will ich aber auskosten.

Der Himmel ist blau!

Dienstag, 20. März 2012

Das nahende Ende von etwas

Dass meine Einschulung nicht erst gestern war, hatte ich schon seit einigen Jahren realisiert, doch dass die Schulzeit so kurz vor ihrem Ende steht, war mir nicht ganz klar. Emsig überschütteten die Lehrer uns mit Leistungskontrollen, Klausuren wurden in aller Hast geschrieben, Noten zusammengekratzt wo es nur ging und der Abiball geplant. Kein Wunder, dass ich es dabei nicht bemerken konnte.
Nun steht der Notenschluss kurz bevor und diese Spannung hat nachgelassen. Man weiß genau, dass bis auf einige Ausnahmen keine Tests mehr bevorstehen und so hat sich von einer Woche auf die nächste die durchschnittliche Anzahl der Hausaufgaben pro Tag von vier plus mindestens eine Leistungskontrolle auf eine halbe reduziert.

In dieser zwanglosen Zeit ist das Verhalten der Schüler sehr bemerkenswert. Einige lassen nun vom Druck befreit jegliche Aufmerksamkeit vermissen, kommen erst gar nicht. Warum sollte man sich noch mehr über die Neutralisationsreaktion anhören, wenn man plant, nie wieder ein Chemiebuch anzufassen? Warum sollte man sich freiwillig zur Lösung der Stochastikaufgaben bewegen, wenn man in diesem Fach nicht einmal eine Abiturprüfung absolvieren wird?
Die Luft ist raus, die Motivation weg; bei denjenigen, die eh immer Mühe hatten, diese aufzubringen ist es am deutlichsten: sie kommen einfach nicht mehr zum Unterricht. Auch ich schenke es mir inzwischen in Fächern, von denen ich genau weiß, dass ich die Notizen höchstwahrscheinlich nicht wieder ansehen würde, mitzuschreiben. Wäre ja auch Energieverschwendung.

Ohne entsprechenden Zwang würde der Mensch eine ganze Menge Dinge nicht machen. So würde ich mir aus persönlichem Interesse nichts über die Geschichte der Rhythmischen Gymnastik zu Gemüte führen, doch im Austausch für eine gute Note erledigte ich es schließlich doch. Schon jetzt ist mir klar: der Hefter der Sporttheorie ist der erste, der in den Papierkorb wandert. Ich wüsste jetzt spontan gar nicht, welchen Hefter ich noch umgehend entsorgen wollen würde. Schließlich hat man mühevoll über Monate hinweg das Wissen notiert und das doch eigentlich nicht, um es wegzuwerfen. Andererseits: werde ich jemals wieder meinen Kunsthefter zücken und über den Darstellungswert der Farbe nachlesen?

Mit dem Gedanken daran,  dass wir ohne entsprechenden Zwang so einiges nicht machen würden, dachte ich beschämt, dass die Eigenmotivation dem zufolge ja eher ernüchternd ist. Und doch verspüre ich nicht den kleinsten Anflug eines schlechten Gewissens, in einigen Fächern, in denen ich keine Prüfung absolvieren werde, nur noch dem Lehrer zu lauschen aber nicht mehr mitzuschreiben außer es interessiert mich doch etwas spezielles, was er sagt.
Dadurch schreibe ich deutlich weniger auf, habe aber letztendlich nur Stichpunkte und Fakten, welche mich wirklich interessieren und nicht nur etwas, das ich wegen des bevorstehenden Tests stupide mitgepinselt habe. Mir ist schon klar, dass dieses System der Beschränkung auf Notizen von persönlichem Interesse wenig nutzbringend wäre, vielleicht aber würde man sich so schon früher auf einige Hauptinteressen beschränken und dort ein besonders hohes Niveau  durch selbstständige Vertiefung zu erreichen statt riesige Mengen von Theorie verschiedenster Fachgebiete auswendig zu lernen, aufs Papier zu bringen um danach fast alles zu vergessen.

Bald fängt die Mottowoche an, in der die Personen des Abiturjahrgangs verkleidet zur Schule kommen, um noch ein wenig Spaß auf den letzten Metern zu haben. In nicht einmal zwei Wochen steht das schriftliche Deutschabitur für mich an.
Und was will ich damit jetzt eigentlich sagen? Dass die vom Vanitasgedanken und Ordnungswillen geprägte Literaturepoche des Barock die Zeit von 1600-1720 umfasste? Oder aber vielleicht, dass ich schon vor dem Ende der Schulzeit wehmütig werde und beim Anblick jüngerer Klassen solche Ach-damals-Gedanken habe, nur um im nächsten Moment zu bemerken, dass ich gewisse Dinge und Personen überhaupt nicht missen werde und sogar froh wäre, sie los zu sein?

Ich glaube, ich möchte mich einfach nur von der Struktur der Sonette ablenken und das, obwohl ich diese eigentlich ganz gern mag.

Selten einen so sinnfreien Post geschrieben. Egal, hier geht es um die Quote.

Apfelkern

Sonntag, 18. März 2012

Honey I googled the kids

Im täglichen Leben ist man von unzähligen Menschen umgeben, wovon man die meisten kaum wahrnimmt und schnell wieder vergisst. Mit einigen der übrigen hat man länger Kontakt, wenige lernt man näher kennen, sodass sie einem mehr über ihre Person erzählen. Oft aber möchte man gar nicht so lange warten, sondern die Persönlichkeit der entsprechenden Person schon vorher grob einschätzen können. Indem man ihr Online-Leben genauer betrachtet kann dies recht genau geschehen. Schließlich will man ja wissen, ob es sich lohnt, den anderen genauer kennenzulernen.

Ist es akzeptabel, Informationen über die Interesse erweckende Person online zu suchen, um nicht warten zu müssen, bis derjenige sie selbst herausgibt oder auch um Wissen zu erlangen, das derjenige nicht freiwillig weitergeben würde?
Es hat etwas von einem Vertrauensbruch, ohne das Wissen des anderen sich über denjenigen zu informieren, welches Vertrauen aber gibt es gegenüber einem Fremden zu brechen? Genau - keins, denn man kennt den anderen ja nicht einmal.

Und so gibt man neugierig den kompletten Namen in eine Suchmaschine ein, findet Profile der Person in sozialen Netzwerken, erfährt, ob derjenige einmal von einer Zeitung zitiert wurde, findet eventuell sogar dessen Blog oder liest über andere Aktivitäten. Man verschafft sich so einen Vorteil, den der andere sich bei Kenntnis des Namens aber auch selbst leicht erreichen könnte.

Googelt ihr eure Freunde oder neue Bekanntschaften? Ich selbst mache das und fühle ich mich immer ein wenig wie ein Stalker, beruhige mich aber stets damit, dass die von mir gefundenen Informationen jedem anderen genauso zugänglich sind und es kein Verbrechen ist, öffentliche Informationen wahrzunehmen.
Konfrontiert man diejenigen dann mit den Funden, sind sie überrascht. Überrascht, dass man es gefunden hat und erstaunt, dass sich über jenes uralte Ereignis noch immer etwas im Netz findet.

Davon angeregt habe ich meinen eigenen Namen in die Suchmaschine eingetippt und wurde auch fündig: schulisch bedingte Veranstaltungen, eine Erwähnung im lokalen Käseblatt, einige Verbindungen zu sportlichen Wettbewerben sowie eine Menge Einträge, die im Zusammenhang mit Biologiewettbewerben stehen. Man findet sogar Bilder.
Das alles sind aber auch Dinge, bei denen es mich nicht stören würde, falls andere sie entdecken würden.

Ich halte es nicht für ungewöhnlich, bei Bedarf über interessante Mitmenschen im Netz zu recherchieren, nur sage ich denjenigen bevorzugt nichts von diesen Aktivitäten. So kann man neue Bekanntschaften besser einschätzen und genau dafür ist das Googeln anderer auch ideal, doch was ist mit den Netzaktivitäten von Freunden? Ist es falsch, deren Online-Geheimnisse zu erforschen?
Wahrscheinlich kommt es ganz auf den jeweiligen Fall an: welche Informationen werden über welchen Freund gefunden und wie reagiert dieser darauf.
Fände ein Freund die Ergebnisse meiner Wettbewerbsteilnahmen würde es mich nicht stören, entdeckte derjenige aber meinen Blog, wäre es mir sehr unangenehm. Schließlich lege ich viel Wert auf meine Anonymität und genau diese würde infrage gestellt, sobald jemand aus dem realen Leben zufällig über den Blog stolperte. Noch ist die Wahrscheinlichkeit dafür nicht vorhanden, da der Blog nicht mit meinem richtigen Namen online in Verbindung gebracht wird, doch durch eine Unachtsamkeit könnte dies irgendwann einmal passieren.
Es sollte mir zu denken geben, dass ich selbst nur unter Einschränkungen meine im Internet hinterlassenen Spuren finden lassen will und mich bei der nächsten Recherche über andere bremsen. Aber die Neugier und das Wissen über verfügbare Informationen lassen einen solche moralischen Grenzen schnell überschreiten. Das Privatleben ist privat, doch sobald es sich ins Netz verlagert wird es zugänglich und öffentlich.

Apfelkern

Freitag, 16. März 2012

Analyse bedeutet Selbstanalyse

Im Leben analysieren wir eine Menge: unsere Mitmenschen hinsichtlich Optik, Sprache, Verhalten und Meinung, Texte, Musik, Bilder und vieles mehr.
Für gewöhnlich analysieren wir Dinge, die wir nicht selbst geschaffen haben beziehungsweise Aspekte, die nicht uns selbst betreffen. So kann man auch wild darauf los spekulieren, denn man weiß ja nie, was exakt Goethe sich dachte, als er ein paar Zeilen notierte. Richtig begründet wird fast alles als korrekt akzeptiert.
Was ist aber mit eigenen Werken? Immerhin weiß man ja bereits, was man damit ausdrücken will und was man bei deren Schaffung dachte. Soll man jetzt weitere Aspekte hinzudichten?

Genau vor diesem Problem stehe ich jetzt: ich soll ein selbstgemaltes Landschaftsbild analysieren.



Was bitte soll ich dazu sagen?
Ähm, das Motiv ist hübsch. Und da bin ich gewesen. Ach, ich habe es auch genommen, weil ich dachte, dass ich  es ganz gut umsetzen könnte. Außerdem las ich gerade den Roman Dracula, während wir ein Motiv auswählen sollten und darin kommt der Ort Whitby, in dem die Ruine steht vor.
Und sonst - na ja, ich wollte die Ruine schon immer einmal malen. Aber das war es jetzt wirklich schon.

Beim Analysieren und Interpretieren fremder Werke sieht man so viele Details und Andeutungen darin, dass ich mich manchmal frage, ob der Künstler sie absichtlich eingebaut hat oder ob es schlicht und einfach Zufall war, dass das Werk so wurde wie es ist. Man will mir doch nicht erzählen, dass Goethe bei jeder Alliteration  einen expliziten Hintergrundgedanken hatte und sich vorfreudig beim Gedanken, wie die Leser seine Ellipsen deuten würden die Hände rieb.



Wir versuchen allem einen Sinn zu geben und dabei projizieren wir uns selbst in das zu betrachtende hinein. Wollen wir etwas trauriges sehen, weil wir im Moment der Betrachtung traurig sind, dann werden wir Gründe finden, in dem Werk etwas trauriges zu sehen. Gleiches gilt für andere Stimmungslagen.

Das ist es ja auch, was Kunst und Literatur so faszinierend macht: man sieht in den Kopf des Künstlers hinein, ohne exakt zu wissen, was er damit sagen will. Die Auslegung ist einem selbst überlassen und ganz individuell; niemand kann sie als falsch ablehnen, da es ja schließlich nur ein Deutungsversuch ist.
Der Künstler selbst sollte aber wahrscheinlich wissen, welche Intention hinter dem Bild steht.
Sich an der Erinnerung an die Reise und dem Roman erfreuen? Eine möglichst gute Zensur für das Bild zu erhalten?

Um meine Kunstlehrerin aber nicht mit dieser eiskalten Wahrheit konfrontieren zu müssen, starrte ich das Bild lang genug an, um ein paar absurde Interpretationsansätze auszubrüten.

Nach dieser steht die Ruine für das Alte, für vergangene Zeiten, die zwar nur noch ein schwacher Schatten ihrer ursprünglichen Pracht haben und doch noch da sind. Sie steht für verblassende Erinnerungen an Dinge, die uns wichtig waren und teilweise noch sind. So wichtig, dass sie sogar den Wellen und den Stürmen der Gegenwart trotzen und einen zentralen Punkt bilden können. Die neuen Dinge, symbolisiert durch die kleinen Häuser, sind zwar in größerer Menge vorhanden, doch nehmen sie zu dem abgebildeten Zeitpunkt noch keine so beeinflussende Position wie die mächtige Ruine ein. Vielleicht steht die Ruine für eine schlechte Erfahrung, welche die aufkeimenden guten; die Häuser; noch überschattet oder auch für eine alte Liebe, von der man sich nicht lösen kann oder will, obwohl ihr Glanz längst dahin ist.
Das freundliche Blau des Hintergrunds, die freundliche Gesamtstimmung stehen für einen gewissen Optimismus, dass die nie endende Veränderung des Lebens, die durch die bewegten Wellen und die Wolken symbolisiert wird, eine positive sein wird.

Da habe ich mir aber ordentlich was ausgedacht; ob es der Lehrerin gefällt bleibt abzuwarten. Ich komme mir selbst ein wenig albern vor, so viel hineinzudichten, doch wenn ich das Bild jetzt so betrachte, erscheint mir meine im Nachhinein erdachte Bildidee gar nicht so absurd.

Ob es den Dichtern und Autoren und Künstlern auch so ergeht? Interpretieren sie ihre Werke im Nachhinein und wiederholen diese Interpretation so oft, bis sie glauben, diese Gedanken schon vor Beginn ihrer Arbeit gehabt zu haben? Nehmen sie vielleicht fremde Interpretationen an und betrachteten sie als besser als ihre eigenen?

Sollten wir uns dreist fühlen, solche Geschichten in Dinge hineinzuinterpretieren? Aber kalte Fakten können nicht alles sein. Das Besondere der Kunst ist und bleibt, dass sie für jede Person eine andere Aussage haben kann.

Apfelkern




Mittwoch, 14. März 2012

Home is wherever I’m with you

Was bedeutet Heimat für euch? Ist das der Ort an dem ihr geboren wurdet? Der Ort an dem ihr aufgewachsen seid? Ist Heimat jeder Ort, mit dem man glückliche Erinnerungen verbindet? Ist das Heimatsgefühl vielleicht gar nicht ortsgebunden? Home is where your WLAN is?
Manchmal reicht vielleicht ein Bild, eine Melodie oder ein Geruch, um zu fühlen, dass man zu Hause ist. Mir zumindest.

Hielte ich das Heimatsgefühl für etwas, das man nur an dem Ort der Kindheit empfinden könnte, würde ich nun Brandenburg von Rainald Grebe einfügen. Davon abgesehen, dass ich zumindest in dem Teil Brandenburgs, in dem ich wohne das darin beschriebene Gefühl der Einöde nicht erlebe und es so ziemlich unfair wäre, dieses Lied zu nehmen, halte ich Heimat eher für ein bestimtmes Gefühl als einen Ort. Zu Hause zu sein bedeutet, alle Schutzmauern fallen lassen zu können und zu sein wie man ist. Im Alltag bin ich vorsichtiger und offenbare nicht jedem meine innersten Gedanken und Gefühle, zeige ungern Schwäche. Zu Hause aber weiß ich, dass die Menschen dort mich verstehen und unterstützen werden. Heimat ist für mich verbunden mit dem Gefühl, bedingungslos geliebt zu werden und das nicht allein für die Dinge, die man macht, sondern dafür, wer man ist.
Zu den Personen, die einem ein solches Gefühl schenken, gehört sicher die Familie, doch es können auch Freunde oder der Partner sein. Wenn man bei ihnen ist, ist man zu Hause.
Ich möchte nie ohne solche Menschen sein.

Daher versuchte ich ein Lied zu finden, das diese Freude, diese völlige Offenheit, die Geborgenheit und das Glück widerspiegelt. Fündig wurde ich bei Edward Sharp & The Magnetic Zeros, einer Band, zu der die Bezeichnung "Hippieband" gut passt. Bei dem gewählten Lied denke ich an einen wunderschönen Tag im Park mit einer engen Freundin, an Sonne und Bücher. Es fühlt sich an wie Heimat und heißt ganz passend sogar Home.


Das Video mit den wunderbaren Bewegtbildern kann man leider nicht einbetten, doch einen Link dazu will ich euch nicht vorenthalten.

Momentan bei einer Freundin und doch zu Hause,

Apfelkern

Sonntag, 11. März 2012

Aufmerksam eingeschlafen

Einsame Menschen reden viel. Zumindest, wenn sie einmal jemanden finden mit dem sie ausgiebig sprechen können. Solche Gespräche laufen oft einseitig ab.
Nach langer Einsamkeit hat sich viel angestaut, das geteilt werden will. Man fühlt sich regelrecht überrollt von dem Wortschwall des Gesprächspartners. Die zwei Gesprächspartner werden plötzlich zu Redner und Zuhörer; der eine nickt an passenden Stellen, damit ersterer sich bestätigt sieht und fortfährt.

Als Zuhörer fühle ich mich in so einer Situation unwohl. Die besprochenen Themen betreffen mich vielleicht weder noch interessieren sie mich wirklich. Und doch bleibe ich still, ich verharre in höflichem Schweigen.
Schließlich kann ich mir vorstellen, wie sehr die Einsamkeit belastet. Man kocht im eigenen Saft, kann mit niemandem die Erinnerungen teilen. Und die meisten Menschen haben dazu für gewöhnlich auch nicht einmal einen Twitteraccount.

So sitzt man dann da. Zehn Minuten, eine Viertelstunde, eine halbe - die Zeit kriecht dahin, der Blick fällt auf die Uhr und das Gewissen moniert, dass noch einiges zu erledigen ist. Aber man bleibt und hört den Belehrungen, Anekdoten und Reminiszenzen zu. Denn es ist wichtig für jene Redner, auch einmal Aufmerksamkeit zu erhalten. Der Mensch als Herdentier wird allein kaum glücklich, wir suchen Gesellschaft weil wir sie brauchen. gesellschaft bedeutet nicht, in der Bahn jemand neben sich sitzen zu haben. Gesellschaft bedeutet Austausch.
Und wenn ich nun einmal diese Gesellschaft für den Moment bin, dann soll es so sein. Diese Freude will ich demjenigen auch gewähren.
Letztendlich würde ich mir doch auch selbst gleiches von anderen erhoffen, sollte ich in meinem Leben aus irgendeinem Grund unter einer solchen Einsamkeit leiden.

Worte fliegen durch die Luft, formen Schleifen und wiederholen sich. Ich bleibe scheinbar aufmerksam und lasse die Gedanken zu den Spanischvokabeln abschweifen. Ist das verwerflich?
Ein Teil der Aufmerksamkeit ist geheuchelt, ich weiß und verurteile es. Zu ehrlichem Interesse reicht es nicht, harsch einen zumindest biologisch mehr oder weniger nahestehenden Menschen abweisen will ich auch nicht.
Bemerkt derjenige denn meine relative geistige Abwesenheit nicht? Ist es dreist, jetzt mental Verben zu konjugieren?

Mir selbst unhöflich vorkommend höre ich genauer zu. Ich gebe aufmunternde Worte von mir, die einen erneute Wortlawine auslösen. Wahrscheinlich wäre Schweigen besser gewesen.

Ist das Gespräch irgendwann beendet, fühle ich Erleichterung und ein schlechtes Gewissen. Man will mit den Leiden anderer von Natur aus ungern konfrontiert werden; noch weniger, wenn man die Person nur oberflächlich kennt und an den Problemen nichts ändern kann.
Warum höre ich dann den endlosen Wortergüssen höflich schweigend und gelegentlich nickend zu? Verflixte Erziehung.


Apfelkern

Samstag, 10. März 2012

Dampfgegart

Ursprünglich wollte ich einen sinnvollen, tiefgründigen Post produzieren. Dann stand ich jedoch mehrere Stunden lang in der Küche, sodass mein Hirn von dem ganzen Dampf völlig benebelt als Maximalleistung heute das Einfügen von Bildern und deren Kommentierung vollbringen kann. Na dann mal los.

Mit einem Berg von Töpfen, zu dekorierenden Tellern und einem Kochbuch begann alles.


Eine nackte Torte, schon wieder. Jedoch ist diesmal der zweite Boden durch die leckere Waldbeerencreme ein wenig verdrückt und eingedellt worden.


Die fertig verkleidete Torte. Hübsch und doch immer noch im Inneren die gleiche. Man soll sich doch nicht von Äußerlichkeiten blenden lassen!


Aufgeschnitten. Tja, der zweite Boden ist wirklich ordentlich schief geworden. Geschmeckt hat sie trotzdem.


Der Zupfkuchen wurde neben der prächtigen Torte kaum beachtet und das obwohl er mir sogar besser schmeckte. Schließlich esse ich eigentlich gar nicht besonders gern Torten; ich backe sie nur mit Vorliebe. Das glaubt mir auch keiner.


Asiatische Suppe mit Chili, Kokosmilch, Glasnudeln, Pilzen, Möhrchen, Lauch und dazu Krabben. Letztere nur für die Verwandtschaft, nicht für mich. Das ist wahrscheinlich die Art Suppe, die ich am liebsten mag: asiatisch und scharf.


Mousse au chocolat ist gar nicht so aufwendig wie man denkt und schmeckt doppelt so gut wie in der Vorstellung. Zumindest geht es mir immer wieder so. Dazu die Himbeersauce und schon
erlebe ich einen akuten Anfall von Speichelfluss. Wie gut, dass noch ein wenig Mousse im Kühlschrank steht.


Abschließend etwas aus der Nonfood-Abteilung. Ich habe ein blaues Herz gehäkelt, weil ich nachdem ich in gefühlt tausenden Posts auf Handarbeitsblogs diese schon bestaunt hatte, herausfinden wollte, ob ich auch zu deren Produktion fähig bin. Bin ich, doch noch ist das Ergebnis ein wenig schiefer als es sollte. Kurz darauf wurde es an meine Oma weiterverschenkt.

Den Apfel habe ich geklöppelt und zwar nach einem selbst erstellten Klöppelbrief. Ja, da schwingt Stolz in den Worten. Auch dieses Werk werde ich nicht behalten, sondern an einen großen Freund der Apple Produkte verschenken.



Und nun werde ich mein Hirn mit etwas Ovid lüften. Wird ja auch mal Zeit.

Apfelkern

Freitag, 9. März 2012

Verswerk

Mögt ihr Gedichte?

In der Kürze kann so viel verborgen werden, ein paar Zeilen, in die man ganze Geschichten hinein interpretieren kann. Prächtige Metaphern, kunstvolle Sprache, intensive Beschreibungen sind es, die ich an der Lyrik so schätze.

Allein Gedichte mit zu offensichtlichem Inhalt und zu nüchterner Sprache mag ich weniger. Gern grüble ich über den Inhalt von Gedichten, lese sie wieder und wieder, um die Gedanken des Autors zu erfassen um mich schließlich zu fragen, ob ich nicht einfach zu viel hineininterpretiere.

Nur einen Aspekt kann ich nicht leiden: Gedichte aufsagen zu müssen.
Es ist etwas sehr intimes für mich, ein Gedicht zu rezitieren. Schließlich besteht es aus den innersten Gedanken einer fremden Person und es ist schon sehr freizügig, dass diese ihre Gedanken überhaupt teilt. Da möchte man diese doch nicht laut äußern.
Nun soll ich aber eine Betonung dieser privaten Gedanken festlegen, sie repräsentieren.
Ich denke mir dabei stets, dass ich das Gedicht stark verfälsche. Vielleicht hat sich der Autor etwas ganz anderes beim Schreiben vorgestellt als das, was ich gerade wiedergebe.

Während man ein Gedicht laut spricht oder es sogar auswendig lernt, beschäftigt man sich intensiv mit diesem. Es erschließen sich einem vielleicht ganz neue Inhalte und dessen Sinn verändert sich im Zuge der eigenen Strukturierung der Verse und Strophen.
Dieser Erkenntnisprozess ist wichtig und doch würde man den für sich selbst erkannten Sinn anderen ungewollt aufdrängen, wenn man ihnen das Gedicht in der für sich selbst gefundenen Betonung wiedergibt. Man minimiert den Wert des Gedichtes für den anderen. Jedenfalls höre ich ungern Gedichte, die ich noch nicht ruhig lesen und für mich analysieren konnte.

Allein der Autor kann nach meiner Auffassung dem Werk die "richtige" Betonung geben, andererseits liegt der Reiz der Verse auch gerade in den unterschiedlichen Betonungen.
Wenn man es schließlich wagt, eine konkrete Betonung für die Verse zu bestimmen, sollte es wenigstens freiwillig geschehen, doch der Zwang zum Aufsagen vor der Klasse im Unterricht nimmt meiner Meinung nach den Gedichten ihren Zauber.
Nicht nur das: es ist bloßstellend. So empfand ich es zumindest am Mittwoch.

Seit ich in der achten oder neunten Klasse beim Aufsagen des Handschuhs vor Nervosität eine ganze Strophe ausließ, habe ich mich erfolgreich um das auswendige Präsentieren von Lyrik gedrückt. Weil ich fürchtete, dass mir wieder so ein Fehler unterlaufen würde. Die Abneigung gegen das allgemeine Rezitieren und die schlechte Erfahrung mit selbigen warenjahrelang ein gutes Team.

Es klappte am Mittwoch gut. Zwar war ich ordentlich aufgeregt und verdrehte sogar eine Zeile, korrigierte mich jedoch selbst und das meiner Meinung nach wichtigste; die Betonung; konnte ich so überbringen, wie es geplant war.
Es war dennoch bloßstellend, eine so intime Sache wie ein Gedicht vor dem kompletten Deutschkurs darzubieten. Die Hemmung, es zu tun ist zwar überwunden, doch das öffentliche Rezitieren von Gedichten ist mir noch immer suspekt,

Ich frage mich, ob es den jeweiligen Autoren unangenehm ist, andere so sehr in ihre persönlichsten Gedankenwelt einzuweihen. Sie teilen sie freiwillig und doch ist sicher eine gewisse Aufregung dabei, wie die Leser über das Gedicht und den Autor urteilen.

Selbst meine eigenen Gedichte teile ich aus diesem Grund ungern. Vielleicht will ich nur verhindern, dass man meinem Gefühlsleben zu nah kommt. Warum auch immer.Oder ich möchte nicht, dass jemand mein Werk besser versteht als ich selbst es mache.

Gruß,

Apfelkern

Donnerstag, 8. März 2012

Auf und ab

Fahrstühle sind etwas, das die Gemüter scheidet. Erspart man sich die Treppen oder meidet man doch lieber den Kasten, der einen eng mit anderen zusammengequetscht und uns ungewollt fremde Körpergerüche und deren Geräusche genauer studieren lässt?

Auch wenn ich keine Angst vor dessen Benutzung habe, ziehe ich dem Fahrstuhl die Treppe vor. Denn frische Luft, Bewegung und gleichzeitig ein schnelleres Vorankommen sind in meinen Augen angenehmer als Enge, Rumpeln und abgestandene Luft.
Nutze ich einmal einen Fahrstuhl, achte ich eher weniger auf die Musik darin, sondern die mitreisenden Menschen. Ich lächle gern Fremden zu und beobachte deren Reaktion. Meist ist das Freude oder Verwirrung oder gar Misstrauen, dass sie von Unbekannten ein Lächeln bekommen, doch für mich lohnt es sich bereits, wenn ich einer Person ein kleines Lächeln bescheren kann.
Bei flüchtigen Bekannten ist es mir eher unangenehm; das spontane Lächeln schenke ich bevorzugt sympathisch wirkenden Fremden.

Zurück zum eigentlichen Wochenthema des Projekt 52: der Fahrstuhlmusik. Sie sollte möglichst nicht nerven, das heißt nicht zu schnell, zu laut, zu schrill und mit Gesang beladen sein. Etwas ruhiges, eine fließende Melodie wäre optimal. Ein Musikstück, das Freude vermittelt und zu dem man sogar ein wenig mitwippen kann. Etwas, das einen nur ungern aussteigen lässt. Da hätte ich doch was.

Azure von Paul Kalkbrenner.




Ein Lied, um dazu wie hypnotisiert durchs Zimmer zu tanzen und anschließend noch völlig berauscht sinnierend auf dem Boden zu liegen.
Es klingt nach Sommer.

Mittwoch, 7. März 2012

Es ist nicht alles Gold was glänzt

Manchmal spuckt der Kopf mehr Ideen für Postings aus, als ich umsetzen kann. Kombiniert mit dem aktuellen Zeitmangel und den vor der Tür stehenden Abiprüfungen ist das sehr ungünstig. Außerdem wären da noch der Beitrag zum Projekt 52 und ein zauberhafter Blogaward abzuarbeiten. Möp.

Eine ganz ähnliche Interjektion entwich mir, als ich heute auf die Leserzahl meines Blogs blickte. Hatte ich mich nicht gerade noch gefreut, dass ganze achtzig Menschen sich offiziell für meinen Hirnquark interessieren, stellte ich nun fest, dass plötzlich einer davon die Flucht ergriffen hat. WAS?!

Man bloggt nicht, nur um eine gewisse Zahl von Lesern zu erreichen (nur noch 1154 Leser bis zur Weltherrschaft - muhahahaha!), sondern um seine Texte und Ideen zu teilen und Reaktionen darauf zu erhalten. Zumindest geht es mir so.
79 Leser sind eine große Ehre; man stelle sich allein diese Personen in natura vor einem stehend vor. Also zumindest mir lauschen im Alltag sonst nicht so viele Menschen gebannt, weshalb mich allein diese Zahl sehr beeindruckt.
So freute ich mich sehr über diese Masse an Lesern und würde den einen Leser nicht vermissen, wenn er nicht schon einmal da gewesen wäre. Denn man vermisst ja nur, was man bereits einmal hatte.
Natürlich kann das Interesse an einem Blog nachlassen und man muss aus Zeitmangel selektieren, welche Seiten man wirklich lesen will, doch - was habe ich getan, dass ich entabonniert werde?! Muss ich mir Sorgen machen, verliere ich an Qualität, werde ich zu banal oder lasse ich mich nur von nebensächlichen Details wie einem Leserverlust zu sehr beeinflussen?

Anfangs habe ich überhaupt nicht damit gerechnet, dass sich mehr als zehn Deppen finden, die sich den meiner verwirrten Seele entspringenden Texten annehmen würden und nun grämt es mich, dass ein Leser mich verlassen hat. Ich weiß nicht einmal, wer genau es war, da ich ab dreißig Lesern den Überblick über die Zusammensetzung meiner Leserschaft ein wenig verloren habe. Ich bin felsenfest entschlossen, diese Person nicht zu vermissen. Pah.
Die Zahl der angezeigten Leser sagt nicht einmal, ob wirklich knapp achtzig Leute meine Artikel lesen. Schließlich erreichen laut meinen Statistiken die wenigsten Posts mehr als 50 Aufrufe, was bedeutet, dass viele der angezeigten Leser aktuell keine Zeit zur Lektüre haben, meine Beiträge ignorieren oder einfach Karteileichen sind. Möp.

Ich sehe es positiv: weniger interessierte selektieren sich selbst aus; die Leserzahl ist nicht alles. Wenn ich das täglich dreißig Mal wiederhole, glaube ich auch vollkommen daran.

Bin ich froh über die wunderbaren stillen und die kommentierenden Stammleser.

Was bedeuten euch die Leserzahlen? Offiziell als überbewertet abgetan und doch insgeheim genau beobachtet?

Gruß,

Apfelkern

Montag, 5. März 2012

Leseverhalten

Es gibt Bücher, die inhaliert man geradezu. In zwei oder drei Tagen hat man fünfhundert Seiten ausgelesen und wundert sich, dass es so schnell ging. Spannung, die zum Leserausch führt.

Nachdem man so einen Lektürerausch beendet hat, ist man völlig euphorisiert. Meist will ich dann gar kein neues Buch beginnen, sondern noch den Nachhall des Glücksgefühls des letzten Buches genießen.
Also die Freude ist zumindest groß, wenn man so sehr von einem Buch gefesselt wird, allerdings habe ich festgestellt, dass ich besonders wenn ich ein Buch in einem so rasanten Tempo gelesen habe, mich wenig später nur verschwommen daran erinnere.

Heißt das nun, dass man zwar kurzfristig regelrecht berauscht von dieser gierig-rasanten Lektüre ist, im Nachhinein aber wenig davon hat? Erst kauen, dann schlucken?

Ich erinnere mich genau, dass meine Eltern den vierten Band der Harry Potter Romane am Tag seines Erscheinens gekauft hatte. Zu diesem Zeitpunkt verharrte die komplette Familie in Lauerstellung, sich in einem unbeobachteten Moment das Buch zu schnappen. Um Streit zu vermeiden rationierten wir die Lesezeit: jeder bekam täglich eine Stunde lang das Buch.
Ich erinnere mich jetzt noch an die sehnsüchtigen Blicke auf die Uhr, die gezählten Minuten, bis ich erfahren konnte, wie es weiter geht. Es ist eine schöne Erinnerung, doch die Zeit des Wartens war grausam. Ich habe sicher zwei Wochen rationierter Lesezeit zum Beenden des Romans gebraucht, doch so erinnere ich mich noch immer sehr detailliert an die Handlung.
Im Gegensatz dazu hatte ich beim fünften Harry Potter Band unbegrenzten Zugang, ich durfte darin lesen so viel und so lang ich wollte. So verleibte ich mir das Buch in wenigen Tagen ein. Heute erinnere ich mich kaum noch, worum es darin ging.

Sollten wir nun unsere Lesezeit rationieren, um ein Buch bewusster zu genießen? Wenn ich genau weiß, dass ein Buch wunderbar sein wird, scheue ich mich manchmal, es zu beginnen, weil ich weiß, dass ich es gierig und wie gebannt durchlesen werde. Es erscheint mir als Verschwendung, gute Bücher regelrecht zu überfliegen und vor lauter Begeisterung die Hälfte wieder zu vergessen. Es ist ein Verbrechen an guten Werken, Frevel und Lästerung.
Doch wollen die Autoren nicht genau diesen Rausch bei uns Lesern erzielen?

Wahrscheinlich sind solche begeisternden Bücher jene, die man ein zweites Mal lesen sollte. Um ehrlich zu sein, lese ich Bücher sehr selten ein zweites Mal. In den eigenen Büchern blättere ich gern gedankenverloren, deren Geschichte nachhängend, lese sie aber allein aus Zeitgründen fast nie ein zweites Mal. Warum noch einmal die gleichen Worte aufnehmen, wenn ich in der selben Zeit neue Wörter und Gedanken erfassen könnte?

Ich bin wohl eine Leseratte - unersättlich und sich des Werts der Texte kaum bewusst. Mir ist klar, dass ich durch ein bewussteres, langsameres Lesen letztendlich vielleicht einen noch größeren Genuss und Lerneffekt aus meiner Lektüre ziehen könnte, doch sobald der Leserausch mich packt, bemühe ich mich nicht, ihm zu widerstehen.
Mein Trost ist, dass es so unendlich viele großartige Bücher gibt, dass ich sie selbst in Anfällen höchster Lesewut nie alle auch nur einmal in der Hand halten können werde.

Apfelkern

Sonntag, 4. März 2012

Fremdkörpergefühle

Der Rücken an die Badewanne gelehnt, den Laptop auf den zum Schneidersitz gefalteten Beinen sitze ich da. Mein Haar riecht unangenehm nach Rauch und erinnert mich an die letzten Stunden. Ein Grinsen schleicht sich in mein Gesicht.

Ich war bei einem Konzert. Ich war gemeinsam mit meinen Eltern bei einem Konzert und das ziemlich spontan. Ein Freund der Familie, der Mitglied einer Band ist, hatte uns dazu eingeladen. Wir kamen um kurz vor neun Uhr in dem kleinen Club an, in dem wir noch nie gewesen waren. Der erste Eindruck war der beißende Geruch aus der Raucher Lounge, dann sah ich die Anwesenden genauer an: der ungefähre Altersdurchschnitt lag deutlich über vierzig. Nicht weiter erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die auftretende Gruppe NDW Titel covert und ihnen dabei aber einen metallischeren Klang verleiht. Allerdings interpretieren sie auch rockigere, härtere Musik wie die von Rammstein, In Extremo, Oomph! oder die der Ärzte, was mich letztendlich auch dazu gebracht hat, mitzukommen.

Fünf nach neun stehen alle um die Bühne versammelt, die über vierzigjährigen Frauen, die alle meine Mutter hätten sein können, schunkelten zu der Musik vom Band, ihre Männer stehen mit ihrem Bier in der Hand einen gewissen Sicherheitsabstand einhaltend und betrachten das Treiben. Auf der Bühne geben sich wenig später Schlagzeuger, zwei Typen mit gitarrenähnlich aussehenden Instrumenten (ähmm ... Bassgitarre?) und der Sänger mit elektrischer Gitarre alle Mühe, die Stimmung anzuheizen. Eingängige Gitarrenriffe, Schlagzeugsolo, alles zusammen - perfekt um Herumzuspringen und das Haar zu schütteln. Genau das mache ich auch, ignorierend, dass sie nun vom Goldenen Reiter singen und ernte dafür verwirrte Blicke von der Seite. Um nicht aufzufallen hätte ich maximal ein wenig hin und her wippen sowie die Arme in typischen  rudernden Bewegungen schwingen dürfen, so wie es die anderen tanzenden Menschen praktizieren.

Meine Eltern tanzen auch so. So, dass ich sofort merkte, dass sie einer anderen Generation angehören. Es wirkt gestellt, wie sie alle synchron zum Bruttosozialprodukt klatschen und doch weiß ich, dass es natürlich zustande kam. Gelegentlich erklingen neuere Stücke; selbst zu Rammsteins Sonne springe ich nur gehemmt mit. Schließlich will ich ja nicht den hinter mir stehenden Eltern auf die Füße treten und unnötig auffallen muss ich nun auch nicht.

Wie war das mit der generationsübergreifenden Musik? Begeistert sind alle im Raum (zumindest bei den moderneren Titeln), aber die Umsetzung dieser Freude an der Musik ist völlig verschieden. Außerdem fühle ich mich beobachtet.
Sieh mal Heinz, die junge Frau da ruiniert doch den ganzen Altersdurschnitt hier!

Die Musik verlor in Laufe des zweistündigen Konzerts ihren NDW-Titel Gehalt und wurde zumindest aus meiner Sicht deutlich besser. Die Truppe spielte gut, sprang umher, hatte einen durchaus als Rampemsau zu bezeichnenden Sänger, was positiv ist, die Männer ließen teilweise später auch die Oberteile fallen, doch ein gewisses  Unwohlsein blieb zurück. Anders als sonst bei Konzerten konnte ich mich nicht völlig von der Musik mitreißen lassen. Meine Eltern beobachten mich von hinten - egal, sie haben mich auch schon zu Hause zu Musik von Knorkator durchs Wohnzimmer springen sehen. Aber die Blicke der anderen Gäste stören mich als Menschen, der keine Aufmerksamkeit der Masse sondern lieber nur einiger weniger Personen auf sich ruhen weiß.
Ob sie sich von mir auch gestört fühlen?

Ich stellte mir die Frage, ob es eine generationenübergreifende Begeisterung für bestimmte Dinge geben kann.  Es gibt sie, vermute ich, doch die Begeisterung äußert sich nur selten in allen Altersgruppen auf gleiche Weise. Viele lieben die Bücher über Harry Potter, doch während sich die jüngeren Fans als Zauberer verkleiden, die etwas älteren in Harry Potter Konsolenpielen gegen Dementoren kämpfen, bevorzugen noch ältere Personen oft die reine Lektüre.

Bei anderen Konzerten mit sehr gemischtem Publikum habe ich noch nie so sehr das Gefühl gehabt, ein Fremdkörper zu sein. Vielleicht lag es daran, dass die Anteile der jeweiligen Mischung ausgeglichener waren. Möglicherweise auch daran, dass die Hallen sonst so voll waren, dass man im Pulk gar keine Zeit zur Betrachtung der anderen hatte.
Ich gab mir Mühe, mich allein auf die Musik zu konzentrieren und den widerlichen Zigarettengeruch sowie das restliche Publikum auszublenden um den restlichen Abend noch genießen zu können. Bis auf die Sache mit dem Rauch gelang das.

Ähnlich fehlplatziert hatte ich mich bisher nur bei einer Party, zu der ich die Tickets im Radio gewonnen hatte, gefühlt und auch da hatte es mit dem durchschnittlichen Alters des Publikums zu tun. Sie sollen mir nicht das Gefühl vermitteln, unter Aufsicht zu sein, sondern Teil einer angenehmen Kulisse sein und eventuell mit mir in Kontakt treten.

Schön war der Abend, todmüde zu Hause dachte ich aber nur eines: Immerhin war ich nicht bei der Schlagernacht in einer benachbarten Halle gewesen.

Apfelkern

Donnerstag, 1. März 2012

Namentlich

Nachdem ich kürzlich so feierlich an zwei von mir sehr geschätze Blogger einen Award weitergegeben habe, musste ich feststellen, dass gewisse Namen leicht täuschen.
Ich hielt Pearl für ein Mädchen - ein Fehler.
In diesem Fall steht Pearl zufolge des Untertitels des Blogs für Physical Evidence And Reasonable Logik, weshalb man davon ausgehend nicht auf das Geschlecht des höchstwahrscheinlich ganz anders benannten Autors schließen sollte, aberes gibt auch Fälle, in denen der tatsächliche Vorname uns genauso ratlos bezüglich des Geschlechts lässt.

Über dem Zeitugsartikel steht als Autor Dominique Müller. Oder Chris Meier, Renee Lemke oder Kim Schulz. Welches Geschlecht würden wir dem Autor insgeheim geben?
Diese Entscheidung hängt davon ab, in welchem Kontext der Name fällt. Schreibt Jules über Nagellacke wird es eine Frau sein, schreibt Jules über Akkuschrauber vermutet man einen Mann und schreibt Jules über Reisen ist man bezüglich des Geschlechts unentschlossen.
Und jetzt sagt mir nicht, Jules wäre kein Name für Männer. Man denke nur an Jules Verne.

Ist der Fall gegeben, dass man anhand der Aussagen der Person und der fehlenden Information über deren Äußeres keine Geschlechtsspezifität feststellen kann, vergibt man der Person in Gedanken willkürlich ein Geschlecht. Ich habe den Verdacht, dass man das Geschlecht des scheinbaren Neutrums nach dem eigenen festlegt. Als Frau würde ich Ulli  auch für eine Frau halten, Männer würden eher dazu tendieren, einen Mann hinter dem Namen zu sehen.
So kam es wahrscheinlich auch zu angesprochener Verwechslung.

Es kann große Verwirrung und genauso große Verlegenheit aus den geschlechtsneutralen Vornamen entstehen. Teilweise ergeben sich auch aus eindeutig femininen oder maskulinen Namen durch Abkürzung geschlechtsneutrale Namen wie Alex, Ulli oder Chris. In diesem Fall sehe ich kein Problem in den Unisex-Namen, doch im Fall, dass es sich bei einem solchen Namen um den einzigen handelt schon.
Allein die lebenslange Unsicherheit bei der bloßen Erwähnung des Namens ohne Anblick des so bezeichneten würde mich stören.  Aber das Problem kommt zumindest in Deutschland auch nicht auf, da alles klar geregelt ist.

Der Vorname darf kein Fantasiename sein
Ein Vorname soll als solcher erkennbar sein.
Ein Vorname muss eindeutig männlich oder weiblich sein.
Ein Vorname soll kein Familienname sein.
Ein Vorname darf kein Titel, Orts- oder Markenname sein.
Daher darf man sein Kind nicht Woodstock nennen, Pepsi-Carola ist dann aber schon wieder akzeptabel. Nun ja.
Der Vorname darf das religiöse Empfinden der Mitmenschen nicht verletzen.
Damit wir unser Kind nicht Gott nennen.
Es dürfen nur zwei Vornamen mit einem Bindestrich zusammenfügt werden, mehr nicht.

Weist der Vorname nicht eindeutig auf das Geschlecht seines Trägers hin, muss dieses durch einen Zweitnamen angezeigt werden. Aha. Dann heißt es eben ganz klangvoll Kim Heinrich und Chris Angelika.
Natürlich gibt es wesentlich schmeichelndere Doppelnamenkombinationen, letztendlich finde ich persönlich einen einzelnen Namen aber schöner. Am besten erscheinen mir Doppelnamen noch in der Variante, dass derjenige zwar zwei Namen hat, davon aber im Alltag nur einer gebraucht wird.
Die individuelle Entscheidung liegt bei den Eltern und das ist für eine gewisse Namensvielfalt auch gut so.

Übrigens sehe ich mich aufgrund der Wahl des Namens "Apfelkern" zum Thema passenden Problemen konfrontiert. Denn wer denkt gleich daran, dass sich hinter dem eigentlich männlichen Substantiv Apfelkern ein weibliches Wesen verbirgt?
Das macht Pearl und seinen grandiosen Blog noch einmal sympathischer.

Apfelkern