Montag, 30. September 2013

Freunde bleiben

Es gibt Punkte im Leben, an denen die Wege von Menschen, die bisher ihren Lebensweg zu großen Strecken zusammen gegangen sind, sich trennen. Und fast immer gibt es an dieser Stelle das Versprechen Freunde zu bleiben. Doch wie soll das funktionieren, wenn man sich von einander entfernt?

Nach dem Abitur fing ich an zu studieren. Meine engsten Freunde begannen ein Studium, ein freiwilliges soziales Jahr, Praktika. Wirklich weit weg zog vorerst niemand. Der Abiball war kein wirklicher Abschied, denn wir waren der Annahme, dass man sich weiterhin häufig sehen würden. Tja, aber da war kein Schultag, bei dem es spätestens in den Pausen die Gelegenheit gab, sich zusammen zu setzten und zu reden. Man sah sich selten. Das Studium forderte mich zeitlich und geistig sehr, dazu kam noch eine Fernbeziehung.
Da die Aussage, man hätte keine Zeit nie stimmt, sondern einfach nur bedeutet, dass man sich keine Zeit nehmen möchte, muss ich zugeben, dass ich genau das tat. Viel zu selten traf ich meine Freunde aus Schulzeiten. Man entfremdete sich. Die Treffen waren selten und nicht wirklich wie die in den vergangenen Zeiten.

Es ging so weit, dass eine mir sonst sehr nahe Freundin als wir auf einer Geburtstagsfeier doch wieder einmal aufeinander trafen, die sonst übliche freundschaftliche Umarmung ablehnte. Ich fühlte mich vor den Kopf gestoßen und war gleichzeitig erschrocken über mich selbst. Wie hatte ich die Freundschaften vor lauter Beschäftigung mit meinem eigenen Leben, dem Studium, der Beziehung so schleifen lassen können?

Von da an bemühte ich mich mehr, Treffen stattfinden zu lassen und sagte vor allem nicht direkt ab, nur weil ich mich drei Wochen vor den Prüfungen unbedingt vorbereiten wollte. Die paar Stunden hat man dann doch. Und vor allem sind sie es wert: ich hatte erkannt, dass Freundschaften nicht automatisch weiter leben, sondern man etwas dafür tun muss. Denn Freundschaften können vielleicht kompliziert sein, doch echte Freundschaften sind einfach unglaublich wertvoll.

Wirklich revolutionär ist die Erkenntnis nicht und nach zwanzig Lebensjahren hätte man das schon früher bemerken können.
In meiner Vergangenheit hatte ich ganz automatisch allein durch die räumliche Nähe der Wohnorte und der Schule ganz natürlich sehr regelmäßigen Kontakt mit nahezu allen meinen Freunden. Man musste sich nicht wirklich darum kümmern, Freundschaften zu erhalten. Es ergab sich von allein.

Jetzt kann ich auf die letzten Monate zurück blicken und sagen, dass es sich gelohnt hat. Mit der Freundin, welche die Umarmung ablehnte, war ich sogar in diesem Monat zusammen für ein paar Tage an die Ostsee gefahren. Spontane Filmabende, im dunkeln Geocachen, Mädelsabende - es ist fast wie früher, nur dass ich das alles jetzt sehr viel besser zu schätzen weiß und es mich deutlich glücklicher macht, solche Freunde zu haben.
Nun wird eine enge Freundin für das Studium umziehen. Nicht unglaublich weit weg aber zu weit weg für spontane Treffen. Ich möchte den Kontakt unbedingt halten, übers Wochenende zu ihr fahren. Die Idee, gemeinsam an ihrem neuen Wohnort ein Konzert zu besuchen, steht schon.
Das Versprechen, Freunde zu bleiben gebe ich dennoch lieber nicht. Einfach weil es so oft dahin gesagt wird, ohne gemeint zu sein.

Und selbst wenn es aufrichtig gesagt wird - es hat einen bitteren Beigeschmack.
Das wurde mir erst einige Tage nachdem ich genau diese Formulierung nach einer Trennung an den ehemaligen Partner gerichtet habe, wirklich bewusst.
Man weiß nicht, wie es nach so einer Trennung, die dann doch ganz anders ist als das nicht mehr täglich in der Schule treffen mit den Freunden ist. Immerhin war das Verhältnis zueinander ein ganz anderes.
Es war kein offener Streit, in dem wir uns trennten. Kommunikationsprobleme gab es vorher schon zu Genüge.
Ich war mir nicht sicher, ob dieses Freunde bleiben funktionieren würde. In den ersten Wochen nach der Trennung sah es aus, als wäre es unmöglich und es würde auf Dauer eisiges Schweigen herrschen. Wir haben viel zu verkrampft versucht, dieses Versprechen der Freundschaft einzuhalten. Ständig Chats, die aber nahezu immer in Streits umschlugen und teilweise von bitteren Tränen begleitet wurden. Danach kam wirklich Schweigen. Schweigen und Verdrängung.
Es sieht besser aus jetzt. Trotzdem lässt sich nicht sagen, wie es sich entwickelt.

Ich habe aus den beiden Varianten des Freunde bleiben wollens aber etwas gelernt: man darf den Kontakt weder vernachlässigen noch zu verkrampft halten. Freunde brauchen Zeit zusammen aber genauso auch Zeit für sich selbst. Doch egal wie sehr man sich an irgendwelche Verhaltens- und Kommunikationsregeln hält - erzwingen kann man nichts. Auch das Glücklichsein nicht.

Für mich war die Entscheidung, mehr Zeit in meine Freunde zu investieren, absolut richtig. Für mich war auch die Entscheidung zur Trennung die richtige. Ich bin an beiden Erfahrungen gewachsen und jetzt glücklicher.

Apfelkern

8 Kommentare:

  1. Sehr schön, wie du so persönlich und aufrichtig von diesen Trennungen berichtest. Und das, obwohl du kein "Lifestyle-Blog" bist, indem du mehrmals wöchentlich von deiner tollen Beziehung schwärmst und wenn sie dann zu Ende ist, kein Wort drüber verlierst. Tapfer! Und sehr schön, wie du damit umgehst. Sehr erwachsen.

    Durch meine stalkerischen Fähigkeiten wusste ich natürlich auch schon vom Umzug deiner Freundin. Ich vermute mal, dass es die Dame K. ist. Leipzig ist eine wunderbare Stadt, da kann man nicht oft genug sein. Freundschaften müssen ja auch nicht täglich persönlich gepflegt werden und dann hat man gleich einen Grund mal aus seiner Stadt zu kommen.

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    1. Bevor ich den Post veröffentlich habe, dachte ich auch noch einmal darüber nach, wie viel ich preis geben möchte. Sogar den ehemaligen Partner habe ich befragt, ob die gegebenen Informationen für ihn in Ordnung sind.
      Ich komme gut damit zurecht, wieder Single zu sein. Ich genieße es sogar nicht wenig. Immerhin hatte es einen Grund, dass die Beziehung beendet wurde und ich fühle mich jetzt besser.

      Von Blogs, die dauernd ein perfektes Leben voller Glück und Sonne vorspielen, halte ich nicht viel. Mich interessieren da höchstens die Rezepte für die perfekten Kuchen.
      Auch als bei mir in Sachen Beziehung alles eitel Sonnenschein war, sah ich keinen Grund, davon ständig zu schwärmen. Nicht ohne Grund kann ich es selbst nicht ausstehen, wenn Menschen das tun. Ich denke mir dann bloß, dass sie von ihrem ganzen sooooo perfekten süß-zuckrigen Päarchendasein schon noch irgendwann Diabetes bekommen ;)

      Deine Vermutung ist ganz richtig. Das hat man davon, wenn man sich mal gegenseitig verlinkt.

      Liebe Grüße an die Stalkerin,

      Apfelkern

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  2. ...noch schlimmer ist es allerdings, wenn man in der gleichen Stadt wohnt, sich aber trotzdem nicht aufraffen kann sich zu treffen.
    Ich muss mich auch wirklich wöchentlich daran erinnern die sozialen Kontakte nicht verkümmern zu lassen - zumal es dann meist schön ist wenn man sich sieht (es sei denn aus der damaligen Freundin ist ein What´s App Zombie geworden).

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    1. Es ist gar nicht so selten, dass diejenigen, die am engsten beieinander wohnen, sich am wenigsten oft sehen. Soziale Kontakte verkümmern lassen ist erschreckend einfach, sie wieder zu erneuern oder komplett neu zu knüpfen ist dagegen sehr viel schwerer. Deswegen auch meine Bemühungen, Freundschaften zu pflegen.

      Hach ja, die What's App Zombies. Ich habe keinen Account dort, doch ich muss mich schuldig bekennen, dass ich vor allem in der vergangenen Zeit, häufig am chatten über andere Apps war. Da mir aber auch negativ aufgefallen ist, wie unhöflich und störend es ist, ignoriere ich das Handy jetzt auch gern einfach mal und lasse mich bloß von den absolut seltenen Anrufen dazu bewegen, es in die Hand zu nehmen. Und ich muss sagen, dass es sowohl mir als auch meinen realen Gesprächen sehr gut tut. Betrachte mich als geheilten Zombie.

      Ich drücke dir die Daumen, dass aus der Freundin kein What's App Zombie geworden ist!

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  3. Ich habe manchmal das Gefühl, wir leben ein paralleles Leben :)
    Auch ich habe mich vor zwei Monaten von meinem Partner getrennt. Teils freiwillig, teils unfreiwillig. Seinerseits besteht der Wunsch nach einer Freundschaft, ich komme damit aber nicht ganz zurecht. Vielleicht muss auch erst einmal viel Zeit vergehen und einige Wunden erst einmal heilen, bevor man wieder normal mit einander reden kann, ohne dass Vorwürfe etc. das Miteinander belasten. Generell finde ich sowas schwierig. Ich bin der Meinung, dass bei solchen Geschichten immer ein Ex-Partner verletzt wird. Ich für meinen Teil möchte z.B. nicht mit verfolgen, wie mein Ex eine Neue kennenlernt und mit ihr dann plötzlich für all die Dinge bereit ist, die ich mir für uns gewünscht hätte. Aber das sind Gefühle, die frisch nach der Trennung vorherrschen. Wie das in einem halben Jahr aussieht, weiß ich nicht. Es ist ähnlich wie mit verlorenen Freundschaften. Man lebt sich auseinander. Auf welcher Grundlage baut man dann eine neue (freundschaftliche) Beziehung zueinander auf?

    Ich habe mich aber immer bemüht, die Freundschaften, die mir sehr wichtig waren, auch während der Beziehung zu pflegen. Ich finde sowas darf einfach nicht an zweiter Stelle rangieren. Man ist nicht mehr nur Partner, sondern auch noch Mensch, der umgeben ist von seinen Mitmenschen. :)

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    1. Das Gefühl, parallele Leben zu führen, habe ich oft gemeinsam mit Connü… vielleicht sind wir ja eigentlich ein Dreierbund, der ein paralleles Leben lebt. Jedenfalls Willkommen im Bund! ;)

      Trennungen sind nie einfach und ob das mit der Freundschaft danach klappt, hängt sehr von der Art der Trennung ab. Ich dachte, dass es bei mir so verlaufen wäre, dass man einen sauberen Schnitt gemacht hat und es ohne eine Sepsis zu verursachen heilen kann. Aber die Theorie ist dann doch immer anders als die Realität. Vielleicht braucht es tatsächlich Zeit, bis man unbelastet von der zurückliegenden Beziehung Kontakt haben kann ohne einander zu verletzen. Aber recht hast du: wenn man einander dann wieder so neutral betrachtet, sich so distanziert hat, ist keine Basis für eine enge Freundschaft mehr da.

      Darüber, wie es sein wird, wenn der ehemalige Partner eine neue Beziehung beginnt, habe ich auch schon nachgedacht. Ich wünsche ihm noch immer eine glückliche Beziehung. Neid ist dabei aber nicht die primäre Emotion - schließlich ist die Trennung aus guten Gründen erfolgt und ich bin zwar schon manchmal den Erinnerungen nachhängend kurzzeitig traurig, weiß aber, dass es einfach nicht funktioniert hat und die Trennung die bessere Option ist.

      Dass ich nie nur Partner sein möchte, sondern ein Individuum bleibe, habe ich durch diese Beziehung sehr deutlich gelernt.

      Danke, dass du deine Erfahrungen in dem Kommentar teilst.

      Apfelkern

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  4. Ich habe gelernt das genau die Leute die versprechen das wir 'freunde bleiben' genau die sind die sich entfremden. bei einer in der 10ten klasse war es von vornherein für mich klar das es nicht so bleibt. bei der anderen hat es sich noch 1-2 jahre gehalten aber es war nicht mehr schön, es gab keine gemeinsamen themen.

    nachdem ich letztes jahr mein abi gemacht hab gab es konkret 3 freunde. die eine hat genau das versprochen und ich gebe ihr jetzt noch eine chance, sie muss sich melden. ich habe oft genug absagen bekommen. ansonsten ist sie abgeschrieben, machmal muss man einen schlussstrich ziehen.

    die anderen beiden sind meine allerbesten freunde geworden. wir sehen uns 1-2 mal im monat und wissen diese zeit auch zu schätzen. es ist schwer mit dreien zu planen, davon eine in der schichtarbeit, aber desto schöner ist es wenn es klappt.

    und dann hab ich eine freundin die ich seit ihrer geburt kenne, also 19 jahre. selbst wenn mal zwei jahre funkstille war haben wir immer wieder zueinander gefunden, kein mensch kennt mich besser als sie und wir können uns alles verzeihen.

    mit ex freunden habe ich nie versucht freunde zu bleiben.

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    1. Die Situation, schon so oft abgesagt zu haben, dass ich dabei die komplette Freundschaft riskiert habe, kenne ich. Dass ich aus dieser Position den Weg zurück in eine enge Freundschaft gefunden habe, macht mich sehr froh und ich möchte das auch nicht wieder aufgeben. Allein schon, weil ich vorher gemerkt habe, was ich verlieren würde.

      Ein ähnliches Erlebnis mit einem Freund, den ich aus Grundschulzeiten kenne und mit dem ich sehr eng befreundet war, ihn nach dem Wechsel aufs Gymnasium lange nicht sah und nach einem Wiedersehen plötzlich wieder so nah wie vorher stehe wenn nicht näher, kenne ich auch. Es ist absolut großartig, jemanden zu haben, mit dem man über wirklich alles reden kann. Da wir uns einander so lange kennen, zusammen gebuddelt haben, kennen wir uns auch sehr gut und wissen, dass wir uns gegenüber einfach offen sein können.

      Vielleicht ist es eine sehr weise Entscheidung, gar nicht erst zu versuchen, aus einer kaputten Beziehung eine gesunde Freundschaft zu machen.

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