Montag, 20. Mai 2013

Alle haarlos und in Butter

Als alter Filmmuffel, der noch viel aufzuholen hat, sah ich mir letztens 300 an. Nicht mein Lieblingsfilm aber er lässt sich gut ansehen, besonders wenn man auf Antike und epische Schlachten steht. Außerdem gab es noch jede Menge Muskelberge zu sehen. Wie mir aufgefallen ist unbehaarte Muskelberge.
Nanu, gehört denn auf die Brust eines echten harten Barbaren beziehungsweise in dem Fall Spartiaten nicht auch flauschiges Brusthaar? Anscheinend nicht. Es versteckt doch bloß die mühevoll antrainierten Muskeln. Aber von der Muskelpräsentation im Film abgesehen: will ich so ein glattes Kerlchen? Das ist doch kein für voll zu nehmender Mann.
Trotzdem: Mann scheint heute glatt sein zu müssen, denn in Werbung, Filmen aber auch im richtigen Leben lassen auffällig viele Männer tiefer blicken ohne dabei Brusthaar zu zeigen. Alle glatt gemacht.

Der Somme steht vor der Tür. Zeit für kürzere Kleidung und damit für nahezu alle Frauen spätestens jetzt Zeit, ihrer Körperbehaarung zu Leibe zu rücken. Inzwischen alles ganz normal. Unrasierte Frauenbeine fallen auf, sind ungewöhnlich und werden dann auch gern mit abwertenden oder gar angewiderten Blicken kommentiert. Wie abartig! So unnatürlich - oh, Moment. Wenn nicht unnatürlich dann halt unzivilisiert.

Ich wusste - und ja, das ist ernst gemeint - lange nicht, dass man sich die Körperhaare entfernen soll. Meine Eltern leben mir das nicht vor, in der Grundschule spielte das Thema damals keine Rolle. Erst als ich aufs Gymnasium gewechselt war fiel mir auf, dass die anderen Mädchen erstaunlich wenig Haare auf den Beinen hatten im Vergleich mit meinen gleichmäßig hell behaarten Beinen. Spielform der Natur dachte ich und hakte das Thema ab.
Irgendwann kam ich so ungefähr in der achten Klasse- Bravo und Werbung - zur Erkenntnis, dass die anderen Mädchen nicht aufgrund einer genetischen Variante haarlose Beine hatten, sondern nachhalfen. Krasse Scheiße was die Menschheit sich nur so ausdenkt, Klein-Apfelkern war damals sehr erstaunt.

Ich belas mich. Wikipedia, Werbetexte, Bibliothek - was ich halt zum Thema Enthaarung bekam. Schließlich will man wissen, was man sich da antun könnte. Irgendwann wagte ich mich in ein Kosmetikstudio und lies mir die Beine wachsen, da ich viel zu faul wäre, alle paar Tage nachzurasieren. Das Ergebnis faszinierte mich sehr. Also wurde ein Epilierer besorgt, um das selbst erledigen zu können ohne jedes Mal die Kosmetikerin zu bereichern. Achseln und Beine werden seitdem enthaart, Standard - im Falle der Beine allerdings nur im Sommer.
Im Winter erklärte ich meine Beine immer zum Schutzgebiet und ließ sie mit dem Epilierer in Frieden. Denn was stören mich die paar hellen Fusseln? So ein Drama um Körperhaare zu machen erschien und erscheint mir albern.
Denn was ist denn schlimm daran, wenn die Beine einer Frau nicht perfekt glatt sind? Es beeinträchtigt nicht, schmerzt nicht. Daher kann ich mir doch zumindest im Winter die Zeit dafür sparen. Vielleicht wärmt es ja sogar noch.
Das mache ich nicht, wenn ich in einer Beziehung bin, doch für mich allein muss ich die Beine nicht enthaaren. Um die Achseln wird sich ganzjährig gekümmert.
Ich habe mich also brav dem Willen der Kosmetikindustrie und dem Bild, das man uns als Ideal vorlebt, gefügt.
Obwohl: ich bin ganz rebellisch und enthaare mir die Unterarme nicht. Warum auch? Da gibt es nicht viel zu entfernen. Und der Intimbereich? Ohne Haare fühlt man sich doch ganz nackt und schutzlos, wenn man nackt ist!

Und das sollen die Männer jetzt auch machen müssen? Wie sähe denn ein Hugh Jackmann ohne diese männlich behaarte Brust aus? Gleich mal nur halb so heiß. Und Sean Connery? Wahrscheinlich so metrosexuell und geschniegelt wie ein David Beckham. Wollen wir das heute? Und wenn ja warum? Vermittelt es ein Bild von mehr Stärke, Überlegenheit? Dann wahrscheinlich nur, wenn die Überlegenheit darin besteht, nicht männlich auszusehen. Hygienische Gründe sehe ich auch nicht unbedingt als Ursache, denn bei normaler Körperpflege ist das heutzutage kein Problem.
Bleiben noch Gründe wie dass es gesellschaftlich nicht akzeptiert beziehungsweise nicht angesehen wird, "wie ein Wilder" Haare auf der Brust zu haben.

Ich weiß nicht, was ich von diesen Trends halten soll. Ein Bärenfell dicht wie eine Isolierschicht aus Glasfaserwolle ist nicht das erotischteste, was ich mir an einem Mann vorstellen kann. Glatte Frauenbeine gefallen mir optisch besser als die selben mit langen Haaren. Und trotzdem: machen wir uns nicht viel zu viele Gedanken darum?
Es gibt Leute, die sich den ganzen Tag lang unwohl fühlen, weil sie wissen, dass ihre Beine nicht frisch rasiert sondern leicht stoppelig sind. Sollte unser Selbstwertgefühl davon abhängen? Finde ich nicht. Hört sich eher so an, als würde man sich in die Sache hinein steigern.
Wenn Enthaarung zum Wohlbefinden beiträgt - okay. Sobald Wohlbefinden anfängt, davon abhängig zu sein, stimmt etwas nicht mehr.

Es war schon in der Antike Brauch, sich einige Teile der Körperbehaarung zu entfernen, im Islam hat es ebenso Tradition. Aber es war vielleicht nicht so zwanghaft wie heute. Ein bis aufs Haupthaar haarloser Körper wirkt doch so kindlich. Alles Ideale von verkappten Pädophilen auch Erwachsene so zu gestalten? Teil eines Körperkults?

Das Thema beschäftigt mich jeden Sommer wieder. Irgendwann muss man sich ja vielleicht auch nicht mehr damit beschäftigen, wenn sie nach kernlosen Trauben und Melonen auch haarlose Menschen gezüchtet haben...
Abgesehen davon, dass das a) Zukunftsmusik und b) überspitzt ist:
Wie geht ihr damit um? Alles ab, voll der Hippie oder Zwischenlösung? Wann habt ihr mitbekommen, dass die Gesellschaft von euch glatte Haut erwartet?

Ach und: Spartiaten hatten bestimmt Haare auf der Brust.

Apfelkern