Samstag, 26. Oktober 2013

Es kommt eh alles anders, als man denkt

Da war ich nun: raus aus einer Beziehung, dabei, aus meinem Schneckenhaus zu kriechen, Freunde zu treffen und einfach meine Freiheit als Student zu genießen - na ja, zumindest die gefühlt zwei Stunden am Tag, während derer ich nicht versuche, medizinisches Wissen in meinen Kopf zu schaufeln - und ich stellte fest, dass ich mit meinem Leben und mir ziemlich zufrieden bin im Moment.

Damit das so bleibt war ein klarer Grundsatz, dass ich erst einmal schön die Finger von Beziehungen lasse. Bloß nicht wieder so ein Chaos in den Emotionen und Gedanken, das einen langsam zermürbt. Nicht wieder die anderen Freunde so vernachlässigen, nicht wieder so ein Smartphone Zombie sein, der dauernd am chatten mit dem Partner ist.

Was soll ich sagen - der Mensch plant und es läuft doch alles anders als er es sich denkt.
Wenn man öfter unterwegs ist, trifft man auch mehr Menschen. In einem Club traf ich mit einer Freundin den selben Typen wieder, der vor fast genau einem Jahr bei einer Semesterauftaktsparty diese Freundin so überhaupt nicht dezent anzugraben versucht hat. Wir mussten sehr darüber grinsen, dass er noch immer ständig dabei war, Frauen anzusprechen. Richtig sicher, dass es der gleiche Typ ist, waren wir uns nicht und sprachen ihn an. Zu unserem Erstaunen war er es tatsächlich. Da hat sich in einem Jahr nicht so viel verändert…

Nicht alle Typen sind so merkwürdig wie dieser. Trotzdem - ich hatte erst mal die Nase voll von Beziehungen und auf mehr als freundschaftlichen Umgang miteinander wollte ich mich nicht einlassen. So schnell gebe ich meine Freiheit doch nicht wieder auf. Warum sollte ich auch - schließlich bin ich auch allein glücklich.

Es hat sich langsam eingeschlichen. Nach einem zufälligen Kennenlernen wieder getroffen, Spaß zusammen gehabt, sich wieder getroffen. Mehr Berührungen als dass man es noch unter rein freundschaftlich verbuchen könnte.
Wie ist das passiert? War ich nicht abweisend genug? Schließlich war mein Plan, durch mein Verhalten nicht mal den Ansatz von Interesse potentieller Partner an mir zu erwecken. Tjo, war wohl nix.

Dabei war ich so vorsichtig. Dachte ich zumindest. Schon wieder verlieben und sein Herz aufs Spiel setzen? Einerseits hatte ich definitiv für eine Weile genug von dem Beziehungskram und doch  - wenn das jetzt der Partner fürs Leben ist? Man kann es vorher nicht wissen, doch wenn man aufgrund einer prägenden schlechten Erfahrung alles stur von sich weist und alle Chancen ablehnt, wird man damit wahrscheinlich auch nicht glücklich sondern ärgert sich rückblickend nur.
Trotzdem zögere ich, mich völlig frei und ohne ständiges Nachdenken darauf einzulassen. Ich bin vorsichtiger geworden. Aber das ständige rationale Nachdenken bremst aus und stört. Offensichtlich ist diese Sache mit den Beziehungen nicht komplett rational zu handhaben. Man kann bevor man sich auf eine einlässt nie zu 100 Prozent verifizieren, dass es gut wird oder andernfalls es gleich lassen. Ob es funktioniert lässt sich nur heraus finden, wenn man sich darauf einlässt.
Dazu braucht es jedes mal Mut, Optimismus und eine gewisse Naivität sich auf einen noch unbekannten Faktor einzulassen und diesen nah an sich heran zu lassen. Es ist immer ein gewisses Risiko dabei, so viel Nähe zuzulassen. Man macht sich verletzlich. Und doch tun es so viele immer wieder, denn sollte es funktionieren, ist es unglaublich schön.

Die Verletzungen, die ein Scheitern einer Beziehung oder allein schon eine enttäuschte Liebe mit sich bringen können, sind oft sehr tief und schmerzhaft. Nicht umsonst gibt es so viele Lieder, Bücher, Bilder, tumblrs und weitere Wege, die diesen Schmerz zu verarbeiten versuchen.
Gleichzeitig gibt es aber auch mindestens genauso viele Werke, welche die Liebe in den schönsten Farben darstellen. Alles hat zwei Seiten, man kann gewinnen und verlieren - aber nur, wenn man es überhaupt versucht.

Ich werde es versuchen, allen Vorsätzen zu trotz. Doch ich habe Erfahrungen gemacht und gelernt. Ich lasse es vorsichtiger angehen, taste mich langsam vor. Anders als beim letzten Mal nicht nur den größten Teil der Zeit zu zweit isolieren sondern auch mal zusammen raus gehen und was unternehmen. So findet man auch heraus, wie die eigenen Freunde den potentiellen Partner sehen. Vielleicht fällt so früher auf, wenn etwas nicht stimmt, man sich komisch verhält. Manchmal ist man blind für gewisse Dinge und wenn sie einem auffallen, ist es zu spät.

Es klingt sehr, als würde ich doch einfach zu viel darüber nachdenken, zu viel planen um die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen. Ich versuche, offen zu sein und es einfach auf mich zukommen zu lassen.  Denn das Ziel ist nicht Perfektion, sondern glücklich zu sein.
Man kann eh nicht alles planen. Auch wenn ich mich dagegen gesträubt habe, mich auf jemanden einzulassen - es kommt sowieso alles anders, als man denkt. Das Leben ist voller Zufälle und Überraschungen und das ist gut so.

Apfelkern

Freitag, 11. Oktober 2013

Raus aus dem Schneckenhaus

Kennt ihr den Film Der Ja-Sager? Er handelt von einem Mann, der alle sozialen Kontakte und Veranstaltung, die über seine tägliche Arbeit hinaus gehen, so weit wie machbar meidet. Immer findet er eine Ausrede, weshalb er nicht kommen kann. Alle Möglichkeiten werden abgelehnt, Einladungen ausgeschlagen. Über ein paar Umwege gelangt er zu einer Art Sekte, deren Prinzip es ist, zu allem Ja  zu sagen. Dieses Prinzip nimmt er an und erlebt natürlich die abenteuerlichsten Sachen - es ist schließlich ein Film. Und auch wenn es überspitzt dargestellt ist, wie viele Möglichkeiten ein Ja eröffnen kann, halte ich die Botschaft, dass ein ständiges Nein viele Chancen verbauen kann, für völlig richtig.

Ich denke in letzter Zeit öfter an diesen Film, denn mir ist bewusst geworden, dass ich besonders im vergangenen Jahr viel zu viele Dinge genau wie der Protagonist des Films einfach von vorn herein ausgeschlossen habe. Scheuklappen auf und stur alles ignorieren.

Keine Zeit, so viel zu tun, keine Zeit. 

Und im Nachhinein hat man so viel damit zu tun, viel zu tun zu haben, dass man vergisst zu leben.
Da ich aber nicht eine der Personen werden möchte, die mit Mitte vierzig feststellen, dass sie ihr Leben nicht ausreichend ausgelebt haben und das nachzuholen zu versuchen, habe ich jetzt einmal bewusst darauf geachtet, Angebote nicht gleich kategorisch abzulehnen, nur weil es einen Ausbruch aus der Routine des Alltags bedeuten würde. Dabei besteht aber kein Zwang jedes Angebot anzunehmen so wie er im Film bestand. Denn mein Ziel ist es ja, mich für die sich bietenden Möglichkeiten zu sensibilisieren und sie besser zu nutzen und nicht mich gleich kopflos in jede Möglichkeit zu stürzen.

Also habe ich mir einen Ruck gegeben, mich öfter mit Freunden getroffen, auch mit einigen, zu denen der Kontakt schon seit längerem weniger geworden ist. Ich landete mehrfach spontan im Kino, sah auf ziellosen Spaziergängen schöne Orte, aß komisches eingelegtes Gemüse, das sich in einer Portion Schawarma versteckte, hing im Klettergarten auf 10 Metern Höhe an Strecken des Parcours, bei denen ich dachte, gleich herunter zu fallen, machte bei einem größeren Event eines Spiels mit, verpasste die letzte Bahn nach Hause, lernte neue Menschen kennen, hatte lange spannende Unterhaltungen, lachte viel und gewann vor allem neue Eindrücke und Erinnerungen.
Die Tage sind erfüllter, wenn man sich nicht erbarmungslos davon überzeugt, keine Zeit zu haben und einfach etwas unternimmt. Raus aus dem Schneckenhaus und erleben, was draußen geschieht.
Es gibt viel weniger Phasen, in denen ich vor mich hin trödele, sondern ich bin einfach aktiver und erledige meinen Kram auch effizienter, um dann zu Verabredungen gehen zu können. Es ist das gleiche Leben mit mehr Inhalt.

Nüchtern betrachtet wirkt es ein wenig wie eine Selbstfindungsphase, ein Experiment. Es ist ein Versuch, sich zu lösen von den selbstauferlegten Grenzen der Schüchternheit, der Unsicherheit und vor allem der Gewohnheit.
Auch wenn ich weiß, dass ich mich nicht komplett wohl dabei fühle, mich in völlig Unbekannte Situationen zu begeben, mir bisher Unbekannte neu kennen zu lernen, mache ich es einfach. Denn auch wenn ein Gespräch mit einer Runde bis dato noch unbekannter Personen scheitert, so habe ich es zumindest versucht und bin eine Erfahrung reicher. Ermutigt von dem Gedanken, dass ich diejenigen wahrscheinlich auch einfach nie wieder sehen werde, fällt es mir viel leichter, neue Kontakte zu knüpfen. Weil ich im Nachhinein dankbar für diese Situationen bin. Weil man in dem Moment nichts verlieren, sondern nur etwas gewinnen kann.

So möchte ich weiterhin mich selbst aus meiner Wohlfühlzone schubsen und beispielsweise endlich mal zur Semesterauftaktsparty gehen. Zwei Semester studiert zu haben und absolut nie bei den Partys dabei gewesen zu sein ist schon ein wenig peinlich.
Wie gut, dass das Medizinstudium ausreichend Semester bietet, das Versäumte nachzuholen.
Nachdenken ist gut und wichtig, doch es sollte nicht so viel werden, dass man sich dadurch selbst im Weg steht und an allem zweifelt und zögert, bis es zu spät ist.

Ich bin glücklich mit der Situation jetzt. Perfekt ist es sicher nicht, denn wann ist im Leben schon etwas perfekt, doch ich würde es als sehr erfüllend bezeichnen. Und deshalb schnuppere ich weiter die Luft
außerhalb meines Schneckenhauses und folge ihr nach draußen.

Apfelkern