Sonntag, 26. Juli 2015

Vegetarier auf Zeit - ein Selbstversuch

"Es ist egal was du isst, Hauptsache ist, es macht dich dicklich!" - das behauptet zumindest Farin Urlaub. So sehr ich ihn und seine Musik aber auch mag, kann ich ihm da leider nicht zustimmen, denn so einfach ist das alles nicht. Ernährung spielt im Leben eine zentrale Rolle und wenn sie einen noch dicklich macht, dann läuft es vielleicht nicht optimal.

Ich bin Omnivore und das ist heutzutage in manchen Situationen ja schon etwas, wofür man sich schämt. Weil man tierische Produkte konsumiert. Und dann auch noch Fleisch. Weil die Tiere bloß für das eigene kurze Vergnügen sterben müssen während andere Menschen schon seit Jahren vorbildlich vegan leben.
Manchmal wird einem vermittelt, dass man ein schlechterer Mensch ist, wenn man tierische Produkte konsumiert. Früher waren es Ketzer und Ungläubige, die sich vor der Kirchengemeinde schämen mussten, heute sind es die sich nicht pflanzenbasiert ernährenden. Zumindest kommt es mir manchmal so vor.
Derart unter Druck gesetzt und negativ dargestellt zu werden, findet sicher niemand angenehm und diese negative Darstellung der eigenen Lebensweise hilft nicht unbedingt, eine andere anzunehmen. Trotzdem kam ich zu dem Schluss, mich einfach eine Woche lang vegetarisch zu ernähren.


Weshalb der Selbstversuch?
Wenn ich nicht gerade von anderen für meinen Konsum von Fleisch kritisiert werde, muss ich zugeben, dass eine fleischlose Ernährung energetisch so viel effizienter ist. Peta formuliert das reißerischer: Fleischessen bedeutet Hunger für die Welt. Für jede tierische Kalorie werden 5-30 pflanzliche verfüttert - das meine ich mit energetisch ineffizient. Das ist zwar die normale Nahrungskette aber eben auch infeffizient. Vor dem Hintergrund leuchtet es absolut ein, dass man weniger Fleisch konsumieren sollte, da es so betrachtet schon Verschwendung von Energie beziehungsweise ein Luxus ist.
Dass man Fleisch nicht unbedingt zum Überleben braucht, ist bekannt. Seine Kohlenhydrate, Fette, Proteine, Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe kann man auch ohne Fleisch aufnehmen. Dabei ist es hilfreich zu wissen, in welchen Formen diese Nährstoffe denn vorkommen und aus welchen Lebensmitteln man sie beziehen kann. Denn einfach keine Fleischprodukte und dafür immer nur Zucker zu essen ist zwar dann vegetarisch oder sogar vegan, jedoch nicht unbedingt das, was man eine gesunde Ernährung nennen würde.
Weiterhin ist Massentierhaltung nichts, was man aus Überzeugung gut finden kann. Auch wenn man die Bio Eier kauft, heißt es nicht, dass die Hühner glücklich waren und man nicht die männlichen Küken "aussortiert" hat, da sie ja immerhin keine Eier legen. Ehrlich gesagt ist es nicht mal der Gedanke, dass wir generell keine Tiere essen sollten, der mich zu einer vegetarischen Woche motiviert, sondern das Unbehagen gegenüber der Massentierhaltung mit dem damit verbundenen Leid für die Tiere sowie auch die Verwendung von Reserveantibiotika für die Tierhaltung. Das Antibiotikum Colistin würde ich doch zum Beispiel lieber für Menschen mit multiresistenten Erregern einsetzen als es in zu niedrigen Dosen ständig an Tiere zu verabreichen und damit bloß Resistenzen zu erzeugen.
Außerdem ist der generelle Gedanke, Fleisch zu essen, schon irgendwie abstoßend. So eine Schweineschulter vom Spanferkel zu zerteilen hat mich doch extrem an den Präparierkurs erinnert. Da war das Fleisch bloß mit Formaldehyd fixiert statt gegrillt. So ein Steak ist letztendlich auch ein Leichenteil - wir sind bloß daran gewöhnt, es zu essen. Dass es gut schmecken kann, möchte ich hier nicht abstreiten.

Jetzt im Sommer ist der Rest des Haushalts im Urlaub und ich bin mit meinen Lernunterlagen für die Klausuren allein im Haus. Das bedeutet auch, dass ich den Kühlschrank für mich habe und allein bestimme, was da rein wandert und was gekocht wird.
Ich habe mich entschlossen, einen kleinen Versuch zu starten und zuerst eine Woche vegetarisch und dann eine Woche vegan zu leben. Die vegetarische Woche kommt zuerst in meinem Ablaufplan, da die im Kühlschrank vorhandenen Eier, den Käse oder die Milch schlecht werden zu lassen definitiv nicht im Sinne einer umweltbewussten und tierschonenden Ernährung wäre. Außerdem ist es für den Einstieg viel einfacher, mit einer vegetarischen Ernährung anzufangen.


Fazit nach einer Woche Vegetarismus
Die vegetarische Woche liegt jetzt hinter mir. Und, wie war es denn?
Gefühlt war es für mich keine große Umstellung, es fiel mir unglaublich einfach, auf Fleisch zu verzichten und es war kaum anders als meine sonstige Ernährung. Immerhin gibt es so viele leckere vegetarische Gerichte und andererseits auch schöne Alternativen zu Fleischprodukten. Es gab Ofengemüse, Schmorgurken, Spaghetti Bolognese mit Quorn, Quinoa mit Gemüse und jede Menge andere schmackhafte Gerichte.
Ich habe jede Menge Gemüse und Obst gegessen einfach in der Absicht, gleichzeitig diesen Versuch zu nutzen, mich gesünder zu ernähren.
Während der ganzen Zeit hatte ich nicht einmal das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen. Für mich allein hätte ich auch ohne den Versuch kein Fleisch zubereitet und maxmal die Bratwürstchen aus dem Kühlschrank gegessen. In der Mensa ist das Angebot an vegetarischen und veganen Gerichten so groß, dass ich mich  auch dort nicht eingeschränkt gefühlt habe. Was ich nicht essen konnte, war meine bereits angebrochene Lakritze, da sie Gelatine enthält. Der Entzug wurde mit Lakritztee behandelt.

Gemüse, Gemüse und Pudding. Ich musste einfach einmal testen, wie es sich als Puddingvegetarier so lebt.




Allein mein Opa hat sich gewundert, weshalb ich seinen selbst gemachten Schinken nicht essen wollte und beim gemeinsamen Kochen wurde sich beschwert, dass gar keine Wurst in den Kartoffelauflauf kommt. Ohne Fleisch ist es anscheinend für einige Menschen keine komplette Mahlzeit.
Die größten Probleme gab es in der Woche also mit der sozialen Kompatibilität der vegetarischen Ernährungsweise. Innerhalb der Familie, vor allem bei den Großeltern gibt es eingeschränkt viel Verständnis dafür, warum man sich eigentlich vegetarisch ernährt.
Die Großeltern, die selbst noch Krieg und Hunger erlebt haben, können vor allem nicht verstehen, weshalb man potentielle Energiequellen vom Speiseplan streicht, da sie einem ja das Überleben sichern könnten. Das kann ich nachvollziehen, jedoch ist es bei ihnen gefühlt auch zu einem Ritual geworden, viel Fleisch zu essen, falls doch wieder Notzeiten anbrechen. Und Aussagen, dass man ohne Schinken krank wird, sind sicher auch weniger von wissenschaftlichen Hintergründen als Erinnerungen an Zeiten des Hungers geprägt und nicht mehr zeitgemäß.

Insgesamt könnte ich mir vorstellen, noch öfter vegetarisch zu essen als ich es bereits unabhängig von diesem kleinen Selbstversuch mache. Komplett vegetarisch zu leben, kann ich mir momentan noch nicht vorstellen, da Fleisch mir offen gesagt manchmal doch gut schmeckt. Und damit meine ich nicht die billigen Nackensteaks zum Grillen, sondern ein schön zubereitetes Rindersteak oder auch Fisch, den man in Ruhe genießt. Man sollte sich nur bewusst sein, dass es kein tägliches Nahrungsmittel, sondern ein Luxus ist, Fleisch zu essen.

Aber ganz egal, ob ich nun spontan Vegetarier werden würde oder nicht: die nächsten sieben Tage werde ich Stufe zwei des Versuches durchlaufen und mich vegan ernähren. Ich bin schon ein wenig gespannt, wie die Woche läuft und was mein Umfeld dazu sagt. Ich werde berichten.

Die veganen Kekse sind übrigens schon fertig gebacken und liegen für Notfälle in der Tupperbox bereit.

Apfelkern

7 Kommentare:

  1. Interessantes Projekt, ich bin gespannt, wie sich die vegane Woche gestaltet, denn das ist meiner Erfahrung nach eine viel stärkere Umstellung.
    Ich esse auch Fleisch, wenn auch mittlerweile eher einmal wöchentlich. In meiner Jugend habe ich mal ein halbes Jahr auf Fleisch verzichtet, was für meine Eltern kein Problem war, für meine Thüringer Familie allerdings schon. Da basieren die Speisen fast alle auf Fleisch. Da habe ich mich direkt in deinen Erfahrungen mit deinen Großeltern wiedergefunden :)
    Ich finde es spannend, die eigene Ernährung auszuloten und Neues zu probieren, bin aber der Ansicht, dass man niemanden seine Essgewohnheiten aufdrängen sollte. Das gilt für Fleischesser, wie für Veganer.
    Ich wünsche dir einen guten Start in die vegane Woche,
    liebe Grüße :)

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    1. Das ist etwas, das man sehr oft hört: eine Familie, die traditionell 3x täglich Fleisch isst und dann haben sie plötzlich Kinder, die im schlimmsten Fall Veganer werden. Da hat sich über die Generationen viel getan in Sachen Ernährung und was man für gut hält.

      Inzwischen bin ich am dritten veganen Tag und kann sagen, dass es überraschend einfach ist. Allerdings koche ich auch immer für mich oder esse in der Mensa. Wenn man mit Freunden kocht oder in Restaurants geht, ist das sicher viel anstrengender. Mal sehen, was ich noch so erlebe. Und ja - ausloten ist das passende Wort für dieses Experiment!

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  2. Auf jeden Fall ein interessantes Experiment und ich glaube würden wir in Städten wie Los Angeles leben würde das alles noch viel leichter fallen, egal ob vegan oder makrobiotisch. Ich glaube der große Haken, wenn man in Deutschland lebt, ist und bleibt die Salonfähigkeit. Es ist unfassbar schwer diese Dinge beizubehalten, die man aus idealistischen oder gesundheitlichen Gründen einhalten will/muss.
    Und das ist interssant und spannend wenn man sich diese kleinen besonderen Gelegenheiten erlaubt, wenn nicht, dann wird jede Mahlzeit in freier Wildbahn zum Spießroutenlauf. Ich denke da an meinen veganen Großcousin für den es eben nichts außer Salat mit Öl und Essig zum feinen Mittagessen gab und der sah weder besonders noch lecker aus (ich kenn das ja auch dass was sehr sehr simples zu Restaurantpreisen zusammengeschustert wird und man nur neidisch auf die Präsentation der anderen Teller schauen kann).

    Wichtig finde ich auch den Punkt den du zu Anfang ansprachst - Vegetarier und Veganer machen sich gelegentlich unbeliebt mit ihren rigorosen Ansichten, sodass ich mir schon zum Trotz sagen würde, "eine Bratwurst, bitte".

    Ich glaube es wäre schon viel geholfen, wenn wir mit einem stärkeren Bewusstsein der Fleischverarbeitung aufwachsen würde, also auch in der Grundschule schon explizit gezeigt wird, was mit den Tieren passiert, damit spätere Generation sich bewusst, gegen oder für (maßvollen) Fleischkonsum entscheiden.

    Aber schwer ist die Umstellung auf keinen Fall, es gibt ja doch tolle Alternativen zu Fleisch (und damit meine ich nicht Zeug, dass aussieht als wäre es Fleisch). Ich selbst hab das auch mit 18 oder so ein Jahr durchgezogen, aber nicht wegen der Tiere, sondern weil mir quasi von heute auf morgen Fleisch nicht mehr geschmeckt hat. Wenn man keinen Apettit auf Fleisch hat, ist das definitv einfach durchzuziehen, aber irgendwann kam dann wieder der Tag an dem das Grillhähnchen einfach unwiderstehlich gerochen hat.

    Ich bin auf jeden Fall gespannt auf das vegane (das ist mir nämlich ehrlich gesagt suspekt) Fazit gespannt und bis dahin
    "...gebt Schweinen eine Chance~ lass die armen Rinder in Ruh´!"

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    1. Solange man selbst kocht und den Gästen nicht sagt, was alles NICHT im Essen drin ist, ist alles gut. In freier Wildbahn ist alles anders. Außer in der Mensa - da ist alles soweit es geht vegan und bis zu bitteren Ende hinsichtlich der Inhaltsstoffe gekennzeichnet. Sehr vorbildlich aber für Restaurants ein Standard, der in sehr ferner Zukunft liegt.

      Man hat heraus gefunden, dass Bildung das beste Mittel ist, um aggressives Verhalten zu reduzieren. Auch in Sachen Ernährung wäre Bildung sinnvoll aber in der Schule wird da wenig vermittelt. Man bekommt mal eine Ernährungspyramide gezeigt und lernt, was Proteine, Kohlenhydrate und Fette sind aber inwiefern man da zuhört und etwas mitnimmt, ist extrem von den persönlichen Interessen abhängig. Man kann niemanden zu Wissen zwingen. Eine traurige aber wahre Erkenntnis.

      Uuuuh, Grillhähnchen. Riecht gut, schmeckt grässlich nach billigem Fleisch. Da nehme ich immer nur einen tiefen Zug des Geruchs, wenn ich an so einem Wagen vorbei komme und seufze traurig, dass es nur gut riecht aber nicht schmeckt. Wie ein Parfum.

      Ich fand bisher auch, dass eine vegane Ernährung unglaublich kompliziert klingt und genau deshalb wollte ich sie unbedingt mal ausprobieren. Verdammte Neugier.

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  3. Mit so einem Experiment haben ja schon einige Blogger gestartet- und sind danach tatsächlich vegetarisch geblieben oder sogar vegan geworden. Ich dachte früher immer, dass du Vegetarier bist, bis ich dann eine Bratwurst auf einem Bild gesehen habe. Da war ich dann verwirrt.
    Ja, die älteren Leute kommen mit Ernährung ohne Fleisch nicht so richtig klar. Dass man ohne Schinken krank wird, klingt irgendwie süß.

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    1. Dich scheint es sehr schockiert zu haben, dass ich entgegen deiner Annahme kein Vegetarier bin. Zumindest hast du es dir nachhaltig eingeprägt und kannst dich auch noch an Details wie eine Bratwurst erinnern.
      Ich war damals einige Zeit inoffiziell Vegetarier - mich als solcher zu outen, hätte meine Familie zu sehr traumatisiert. Von der Zeit ist auch definitiv ein Verständnis für Vegetarismus und Veganismus zurückgeblieben und ein Interesse an vegetarischen/veganen Rezepten bzw. Gerichten. Das ist auch ein Grund, weshalb es mir aktuell nicht wirklich schwer fällt, auf tierische Produkte zu verzichten. Mal sehen, was sich daraus langfristig ergibt.

      Hach ja, ältere Menschen und Ernährung. Die wissen einfach noch, dass im Schinken die meisten Vitamine sind!!!
      Leider haben sie meist kein grundsätzliches Verständnis für Ernährung, deren Grundbestandteile und was man davon nicht auslassen sollte. Dass Mehl auch nur ein Vielfachzucker ist, wissen die meisten nicht und Eiweiß ist für sie nur der helle Teil vom Ei. Tja.
      Aber: ich habe Oma gestern Falafel, Möhrensalat, Tsatziki auf Sojajoghurt Basis und Backkartoffeln serviert und sie hat sich nicht einmal über fehlendes Fleisch beschwert. Ich hab ihr einfach nicht verraten, dass es vegan ist und die Falafel keine Bouletten sind und schon hat es ihr geschmeckt.

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  4. An sich eine ziemlich interessante Umstellung, oder ?
    Ich habe auch eine Food Challenge gewagt und mich 14 Tage Vegetarisch ernährt. Siehe hier:



    http://nachbarin2013.blogspot.co.at/2015/04/challenge-14-tage-vegetarisch-essen.html


    An sich sehr spannend, weil wir viel ausprobiert haben, teilweise auch vegan (Panna cotta hmm).
    Eigentlich sehr empfehlenswert so ein Selbstversuch.

    Lg

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