Montag, 23. November 2015

Schnee

Sobald gegen Ende des Jahres draußen die ersten weißen Flocken fallen, kann ich gar nicht aufhören, aus dem Fenster zu starren. Die Aufregung, dass die Weihnachtszeit naht, die so viel Geborgenheit und Gemütlichkeit verspricht, wächst. Lichter, die typischen Gerüche und Lebensmittel, diese Vorfreude auf eine Zeit mit der Familie und Freunden. In mir kommt jedes Jahr aufs neue eine rational nicht erklärbare Begeisterung auf, die allem Stress zu trotz mich in Hochstimmung bringt. Ich habe das Gefühl, dass der erste Schnee mich immer wieder ein bisschen in meine Kindheit zurück versetzt.

Es kommt mir schon ein bisschen albern vor, dass ich nur weil nun Schnee liegt, am liebsten sofort Weihnachten feiern oder zumindest schon den ersten Advent erreicht haben würde. Es ist auch nur eine Wettererscheinung und dieses christliche Fest ist assoziiert mit einem Glauben, nach dem ich nicht lebe. Weihnachten ist für mich ein Phänomen, das ich als Zeit der Familie betrachte. Man hat eine Auszeit am Ende des Jahres, in der man ein paar Tage durchlebt, die sich wie ein kleines Zeitloch anfühlen. Nach dem 24. Dezember herrscht plötzlich Ruhe. Keine Suche nach Geschenken mehr, aufgeräumt und dekoriert hat man längst und nun bleibt für ein paar Tage gefühlt die Zeit stehen und man kann all das tun, wofür man sonst keine Ruhe findet.

Wahrscheinlich verbinde ich diese Momente so sehr mit Weihnachten und Schnee, dass mich die ersten Flocken so heftig in Aufregung versetzen und mich debil grinsen lassen. Ich freue mich auf ruhige Tage voller Glück und der Schnee kündigt genau das an.
Ich weiß auch, dass nicht für jeden Weihnachten so eine glückliche und unbeschwerte Zeit ist. Damit meine ich nicht einmal, dass die Bahn jedes Jahr aus Neue davon überrascht wird, dass es einen Winter gibt und dementsprechend erst einmal nichts mehr nach Plan fährt. Mehr denke ich daran, dass nicht alle das Glück haben, sich innerhalb ihrer Familie nahe zu stehen und harmonisch miteinander feiern aber andere haben noch viel größere als diese "Luxusprobleme". Auch daran denken wir während wir unser eigenes Glück genießen schuldbewusst. Zumindest erkläre ich mir so die zur Weihnachtszeit steigende Spendenbereitschaft gegenüber Obdachlosen, Katastrophenopfern oder Entwicklungshilfen.

Dennoch kann ich nicht anders, als einfach aus dem Fenster zu sehen, fasziniert den Schnee anzusehen und mich auf diese Zeit zu freuen ganz egal was für ein Stress mich im Alltag gerade belastet und wie schrecklich die Welt doch sein kann. Der Schnee legt sich über all den Dreck und die hässlichen Ecken werden durch die weiße Decke geebnet und erscheinen zauberhaft schön. Zumindest für einen Moment.

Dienstag, 17. November 2015

Much too much

Jeder Mensch hat seine eigene Strategie, was das Aufräumen und das Bewahren einer Ordnung angeht. Bei mir funktioniert es so, dass ich gut sortierte Fächer für Dinge, die ich täglich brauche, habe und der Rest gemeinsam durcheinander in Schubläden schlummert. Kleidung, Unterlagen für die Uni oder auch mein Strickzeug werden ständig benutzt, ich weiß genau, wo welches Objekt liegt und ich bin recht zufrieden damit. Und dann gibt es noch diese Fächer und Schubladen, wo sich alle Gegenstände einer Kategorie einfach sammeln.

Ab und an ereilt mich eine Sortierwut und genau das war jetzt der Fall. Ich habe einfach mal den großen Schub unterm Bett hervor gezogen und war ein wenig schockiert angesichts der Unmengen von Bastelzubehör, das ich seit Jahren nicht mehr angefasst habe.
Scoubidou Knüpfschnüre aus Grundschulzeiten. Buntpapiersets, die ich vor Jahren mal im Kunstunterricht brauchte. Materialien zum Herstellen von Perlentieren.
In der Kommode sind ordentlich gestapelt Hefter aus Schulzeiten. Die für mich ganz abwegigen und wenig gemochten Fächer sind schon lange in den Papiermüll gewandert, aber der Biologieordner wartet noch immer darauf, dass ich ihn wie gedacht im Studium noch mal brauche. Ich fürchte, dass er da endlos warten wird.
In einem separaten Fach sind all die kleinen gebastelten Geschenke, die ich von meiner Schwester bekommen habe. Da liegt ein pailettenbedecktes Styroporei in grässlichen Farben, dass ich nutzlos und hässlich finde und doch noch nicht weg geworfen habe, weil es für mich gemacht wurde.

Warum hebe ich all das eigentlich noch auf, wenn ich es gar nicht benutze und es nur Platz einnimmt?
Es hängen Erinnerungen daran. Man sagt sich, dass man die guten alten Zeiten bestimmt noch einmal aufleben lassen wird und die Plastikschnüre unter dem Bett hervor holt, um daraus Anhänger zu machen. Man redet sich ein, dass man dafür Geld ausgegeben hat und deshalb jetzt quasi verpflichtet ist, es auch zu nutzen, um das Geld nicht am Ende verschwendet zu haben.
Trotzdem weiß ich in meinem Unterbewusstsein, dass ich die Schnüre nicht mehr mag. Sie riechen nach Weichmachern, böse Zungen würden sagen, sie riechen nach China. Wolle ist ein viel schöneres Material, das ich nicht gegen Plastikschnüre tauschen möchte. Also will ich das Plastikzeug loswerden. Aber einfach wegschmeißen käme mir wie Verschwendung vor. Nur an wen soll man Scoubidou Schnüre verschenken? Die waren 2005 mal modern und es fragte seitdem niemand mehr danach.

Wenn man so seine Sachen durchgeht, stellt man fest, wie viele Dinge man eigentlich hat. Diese ganzen Aktionen auf Blogs über Minimalismus, jeden Tag einen Gegenstand auszusortieren, habe ich bisher immer belächelt. Es kam mit vor wie ein zwanghaftes Aussortieren von Dingen, die man eigentlich noch benutzen würde aber wegen der Aktion weg werfen oder verschenken muss.
Nun ist mir klar geworden, wie viele Dinge ich habe, die lange schon kein Teil meines Lebens mehr sind und mich dennoch weiterhin umgeben. Ein bisschen davon bedrückt fühle ich mich auch. Es ist wie eine Art schlechtes Gewissen, Dinge zu haben, die man nicht braucht.

Würde man all die Besitztümer weggeben, die man gar nicht mehr liebt und benutzt, wäre das bestimmt ein gutes Gefühl. Ich erinnere mich noch, dass meine Mutti früher aus dem Kinderzimmer von meiner Schwester und mir immer heimlich einige Sachen für ein paar Monate in eine Mülltüte gepackt und versteckt haben. Alles, wonach wir in der Zeit fragten, gab sie heraus, der Rest des Sackes wanderte geschlossen in den Müll.
Diese Methode ist drastisch aber effektiv. Ob ich genau auf diese Weise aussortieren möchte, weiß ich noch nicht. Und wohin mit den Dingen, die für die Tonne zu gut sind und für die sich im Umkreis kein Abnehmer findet? Entweder verkaufen oder ab damit zum Schenkflohmarkt. Da ich nicht viel Erfahrung mit dem Verkaufen gebrauchter Gegenstände habe, ist die Hemmschwelle, einfach alles gratis beim Schenkflohmarkt weg zu geben, viel geringer.

Ich nehme aber noch ein anderes Fazit aus dem Öffnen der Schublade unter dem Bett mit: so verlockend beim Einkaufen das schöne Kerzenglas und das niedliche Lesezeichen wirken - man braucht diese Dinge einfach nicht. Geld auszugeben und sich den Lebensraum mit Gegenständen voll zu stellen, die man eigentlich nicht benötigt wäre Schwachsinn.
Nur noch Dinge zu kaufen, die man wirklich braucht und benutzt wäre die logische Konsequenz aber so einfach ist das eben doch nicht, wie es sich anhört. Der Mensch ist eben doch ein Sammler und hortet für schlechte Zeiten. Nur dann hilft der von Opa gebaute Miniaturwebrahmen und die Kollektion von Buntstiften auch nicht.

Donnerstag, 5. November 2015

Und was ist mit Teeeee? Oder auch: Kein Herz für Kaffee

Vor einigen Wochen saß ich morgens noch mit leichtem Jet-Lag durch die Zeitumstellung in der Bahn und war auf dem Weg zu einer viel zu frühen Vorlesung. Draußen war es dunkel und mein Instinkt sagte, es wäre der perfekte Moment, noch ein wenig zu dösen. Friedlich nickte ich immer wieder ein wenig weg, sah ab und an auf, um festzustellen, wo die Bahn sich inzwischen befand.
Ein stechender, muffiger Geruch unterbrach diese Verlängerungsrunde meiner Nachtruhe - Kaffee.
Neben mir saß ein junger Mann mit Kaffeebecher, aus dem es heiß dampfte und aufdringlich roch.

Gefühlt bin ich der einzige Mensch, der morgens beim Geruch von Kaffee nicht fröhlich aus dem Bett springt, sondern sich überlegt, ob er unter der Bettdecke warten soll, bis der Mief sich verzogen hat oder mit angehaltenem Atem aus dem Bett hastet um möglichst schnell die Quelle des Geruchs zu eliminieren.

Ich bin in einer Familie von Teetrinkern aufgewachsen. Morgens gab es am Wochenende immer eine 2,5 Liter Kanne schwarzen Tee für vier Personen, die wir problemlos geleert haben. Obwohl in der Küche auch eine Kaffeemaschine steht, wird sie so selten angeworfen, dass man das aufs Jahr gerechnet an einer Hand abzählen kann. Regelmäßig passiert es, dass der Kaffee, der bei meinen Eltern für unerwarteten Besuch im Schrank gelagert wird, sein Mindesthaltbarkeitsdatum überschreitet.
Als Kind bekam man wie selbstverständlich immer sein Tässchen Milch zum Geburtstagskaffeetrinken mit den Verwandten. Proportional zum steigendem Alter kam die Frage, ob man denn auch Kaffee wolle, immer häufiger. Danke nein, ich trinke keinen Kaffee.
Die typische Antwort: Warte nur ab, bis du älter bist - dann wirst du Kaffee lieben! Oder auch die beliebte Variante davon: Wenn du erst einmal studierst, wirst du dir ein Leben ohne Kaffee gar nicht mehr vorstellen können!

Nun, ich bin älter und habe sechs Semester erfolgreich hinter mich gebracht und muss die Verwandtschaft leider enttäuschen: ich finde Kaffee weiterhin widerlich.
Als ich früher weder Oliven noch Pilze oder Naturjoghurt mochte, sagten die weisen Erwachsenen im Überzeugungston der Erfahrung, dass sich mein Geschmack verändern und ich all diese in dem Moment abstoßend erscheinenden Lebensmittel lieben würde. Und sie behielten tatsächlich Recht, was Oliven, Pilze und Naturjoghurt angeht. Doch um Kaffee schlage ich weiterhin einen großen Bogen.

Ob man nun Oliven mag oder nicht interessiert eigentlich niemanden. Aber wenn man keinen Kaffee trinkt, fällt man in der Gesellschaft schon negativ auf. Am Frühstückstisch, wenn das einzige angebotene Getränk Kaffee ist und man notgedrungen zu Leitungswasser greift oder auch wenn einem einfach ein Kaffee mitgebracht oder eingegossen wurde und man dann beichten muss, dass man eigentlich gar keinen Kaffee trinkt. Das mit dem lächelnd versuchen, das Zeug runter zu würgen oder mit ganz viel Milch zu verdünnen habe ich schon versucht. Und bin gescheitert. Ich würde gern auch den hippen Pumpkin Spice Latte mal probieren, aber da er Kaffee enthält, weiß ich, dass ich nach einmal daran nippen eh die Nase voll haben werde.
Es reicht ja schon ein Biss in eine Praline mit Kaffeegeschmack, um das typische muffig-beißende Aroma zu bemerken, den Rest der Süßigkeit liegen zu lassen und sich schnell was zum Nachspülen zu suchen.

Ich kann mich aufgrund des Geschmacks einfach nicht überwinden, Kaffee zu trinken und ich denke, dass es auch nicht nötig ist. Heißgetränke am Morgen sind etwas wundervolles und ich bin sehr dankbar, dass es dafür Tee gibt. Warum also mich mit Kaffee quälen, wenn ich ihn eigentlich nicht mag?
Manchmal wünsche ich mir einfach nur, dass nicht alle es als selbstverständlich ansehen würden, dass man ab einem gewissen Alter Kaffee mag. Wahrscheinlich ist das auch eine Einschränkung für sämtliche soziale Kontakte, wenn man den anderen keinen Kaffee kochen kann. Aber wie soll ich kontrollieren, wie das Produkt am Ende schmeckt, wenn ich es immer ekelhaft finde egal wie das Verhältnis von Wasser zu Kaffee nun ist? Man erwartet von Veganern schließlich auch nicht, dass sie Hackbraten zubereiten - weshalb also sollte ich Kaffee kochen?

Dass andere Kaffee trinken ist für mich völlig in Ordnung. Der Geruch ist nun nicht mein liebster, aber im Gegensatz zu Zigarettenrauch stört er nur olfaktorisch und schädigt mich nicht gesundheitlich.
Trotzdem bin ich noch immer fasziniert, wie gut sich Kaffee verkauft. Fast als wäre er lebensnotwendig. Morgens steht jeder Dritte mit seinem Coffee-to-go Becher am Bahnhof und in der Uni kommt auch die Hälfte des Kurses mit Kaffeebecher in der Hand in die Vorlesung. Ehrlich: spielt das Zeug eine so wichtige Rolle im leben, wenn es einem schmeckt?
Aber Faszination hin oder her: ich bin glücklich als passionierter Teetrinker. Man spart jede Menge Geld, wenn man nicht den Drang hat, sich täglich unterwegs Kaffee kaufen zu müssen. Dennoch bin ich interessiert: Könnt ihr euch ein Leben ohne Kaffee vorstellen?