Montag, 27. Februar 2017

Wer A sagt darf auch B hinterfragen

Vor ein paar Wochen dachte sich mein Vergangenheits-Ich, dass es eine clevere Idee wäre, in den Semesterferien einen Yogakurs zu machen, der um 7:15 beginnt. Dann würde ich wenigstens einmal pro Woche richtig früh aufstehen, in die Gänge kommen, mich bewegen und dann mit einem guten Gefühl in einen produktiven Tag starten. Heute war der erste dieser Kurse und ich habe über die Entscheidungen meines Vergangenheits-Ich geflucht.

Das frühe Aufstehen selbst war zwar ein bisschen anstrengend aber nicht übermäßig grausam. Ein bisschen was gefrühstückt, langsam gespürt, wie sich die Aufregung wegen des Yogakurses einstellte. 90 Minuten Vinyasa Yoga.
Ob die anderen Kursteilnehmer schon weit fortgeschritten sein würden? Den Kopfstand kann ich inzwischen quasi im Halbschlaf, doch alle anderen Umkehrhaltungen wie Unterarmstände oder Handstände sind bei mir nur wackelig und mit Wand drin. Davon abgesehen nagt es auch immer noch an mir, dass ich mir zwar die Beine hinter den Kopf klemmen aber nicht in den Lotussitz falten kann. Aber ich bin ja auch ein Anfänger und da geht das klar, nicht alles zu können.

Voller Erwartung machte ich mich mit meiner Yogamatte unterm Arm auf den Weg zur Turnhalle. Dabei fühlte ich mich ein bisschen wie ein Hipster: in den Tag starten mit Yoga während andere arbeiten, dann noch am besten einen Smoothie mit grünem Gemüse und dazu ein Kaffee mit Sojamilch.
Ich kam in der Halle an, zog mich um in meine sportliche kurze Kleidung und ging in den Sportraum. Zuerst wunderte ich mich, wieso gut die Hälfte der Anwesenden in lange weite Gammelklamotten gekleidet war und dazu Wollsocken trug. Entschuldigen Sie, sind Sie auch zum Sport hier?

Der Kurs begann. Es wurde auf dem Boden liegen geatmet, in Körperteile hinein gefühlt, entspannt. Während die Trainerin eine Viertelstunde lang erzählte, wie ruhig und gelassen Körper und Geist würden, fragte ich mich nach einigen Minuten nicht besonders ruhig und noch weniger gelassen nur noch, wann wir denn zum sportlichen Teil kämen.
Irgendwann setzten wir uns auf, atmeten. Nach der Hälfte der Kurszeit waren wir schon so weit, dass wir uns der Belastung aussetzen, uns in den Vierfüßlerstand zu begeben. Ich kam mir völlig deplatziert vor. Fühlt sich so Seniorensport an? Vorsichtige Gymnastik für Frauen drei Tage nach der Geburt vielleicht? Meine Vorstellung war, dass wir in fließenden Bewegungen über die Matte turnen und am Ende auch hüpfen würden, dabei ins Schwitzen kämen, der Kursleiter uns in den altbekannten Positionen Tipps geben und beim Einnehmen neuer Positionen anleiten würde.
All das passierte nicht. Mir war kalt in den viel zu kurzen Funktionskleidungsstücken, die dafür gedacht waren, dass man sich in ihnen ernsthaft bewegen würde und noch dazu langweilig. Während des ewigen Liegens und Atmens dachte ich einen Moment lang sogar, dass ich gleich einschlafen würde.
Höhepunkte der Anstrengung war es, in die Position der Planke zu gehen. Allerdings folgte direkt der Vermerk, dass wir doch die Knie auf den Boden ablegen sollten, da wir die Position noch wiederholen würden und das durchhalten sollen.
Darf ich bitte mein Geld wieder haben?!

Nach dem Kurs war ich einfach nur enttäuscht. Was war das für ein Sport, in dem man die Hälfte nur herum liegt und atmet? Der Yogakurs im letzten Sommersemester war einfach nur unfassbar herausfordernd, anstrengend und genial gewesen. Jetzt dagegen war es die pure Langeweile.
Yoga hat einfach so viele Strömungen und Facetten, dass man nie ganz genau wissen kann, was man bekommt.

Der Kurs war überstanden und hatte sich komplett anders entwickelt als gewünscht. Was wird aus den restlichen Terminen?
Die wenigen Euros für den Unisportkurs waren bezahlt und würden auch nicht zu mir zurück kommen selbst wenn ich mich beschweren würde, dass es gar kein wirklicher Sport ist, den diese Trainerin da betreibt.
Die Möglichkeiten sind nun entweder hin gehen, dem ganzen noch eine Chance zu geben und mich sehr wahrscheinlich durch die öden und nicht beanspruchenden Übungen zu langweilen oder knallhart die Teilnahmegebühr als Lehrgeld zu verbuchen und nie wieder zum Kurs zu erscheinen.

Was ist wohl wertvoller: meine zwölf bezahlten Euros oder sechs mal neunzig Minuten eines Kurses durchzustehen, der mir sehr sicher nur noch mehr Frust bringt?
Zuerst überlegte ich, dem ganzen noch einen letzten Versuch zu geben, doch gleichzeitig ist mir klar, dass ich in einem Anfängerkurs einfach nicht glücklich werden kann. Ich möchte beim Sport meinen Körper belasten, an Grenzen kommen, meine Grenzen erweitern, schwitzen, innerlich fluchen und nicht ruhig atmend unter einer Decke auf dem Boden liegen und in meinen kleinen Zeh hinein fühlen. Das ist sicher auch eine tolle Entspannungsübung aber eben so gar nicht, was ich mir von dem Kurs erhofft habe.

An sich bin ich ein Mensch, der extrem ungern aufgibt. Lieber Zähne zusammen beißen und durchziehen, um am Ende das Ziel zu erreichen. Zu zweit den zwei Meter hohen Schrank durch die Stadt in die Wohnung schleppen, blaue Flecke vom Abstützen auf den Beinen und der Hüfte davontragen und anschließend noch zwei Tage zuerst Schmerzen und dann nur noch Muskelkater in den Armen zu haben geht klar. Es ist aber wichtig zu wissen, wann es sich lohnt, sich zu überwinden und sich durchzubeißen. Und genau das ist bei diesem eigentlich so unwichtigen Yogakurs einfach nicht der Fall.
Ich habe viel mehr davon, an den Tagen früh aufzustehen und für mich allein ein Yogatutorial zu machen, das mich dann auch wirklich fordert und weiter bringt.

So ein ganz kleines bisschen habe ich zwar trotzdem ein schlechtes Gewissen, den gebuchten Kurs zu schwänzen, doch manchmal muss man ganz bewusst eine zuvor getroffene Entscheidung auch revidieren können. Denn wenn man immer stur an den in der Vergangenheit mit einem ganz anderen Bewusstseins- und Wissensstand gemachten Plänen fest hält, wird man seine Ziele nur schwer erreichen. Wenn es doch nur immer so einfach wäre wie mit einem Sportkurs.

Freitag, 17. Februar 2017

Aus dem Nähkästchen: über das "lustige" Studentenleben

Im Leben gibt es viele Prüfungen, davon sind die wenigsten offiziell so benannt sondern einfach die täglichen Herausforderungen. Manchmal gibt es aber doch diese offiziellen Prüfungen, für die man sich vorbereiten und dann unter großer Aufregung sein Wissen unter Beweis stellen muss. Besonders als Student erlebt man diese Situation regelmäßig.

Vorgestern habe ich meine letzten vier Klausuren für dieses Semester geschrieben und danach direkt gespürt, was für eine Last von mir gefallen ist. Es ist immer wieder schwer zu glauben, wie sehr einen dieser Leistungsdruck belasten kann.
Anfang des Semesters bin ich noch recht entspannt. Ich bereite mich zwar immer brav auf die Veranstaltungen vor und weiß immer, worum es grob gehen wird und bringe im Anschluss meine Notizen davon in eine Form, mit der ich später lernen kann, habe aber noch immer Freizeit. Je näher die Prüfungen kommen, desto weniger wird diese Freizeit.
Man geht morgens in die Uni, kommt am Nachmittag zurück nach Hause und sortiert noch schön seine Aufzeichnungen. Dann hat man sein Tagespensum an aktuellem Stoff geschafft - was aber leider auch nur bedeutet, dass man sich nun ans Lernen machen kann. Und zwar eigentlich open end bis man ins Bett geht, da man ja keine Kinder hat, um die man sich kümmern muss oder irgendetwas, das rechtfertigt, das Lernen zu unterbrechen.

Na klar wird Essen gekocht oder eine halbstündige Sporteinheit eingeschoben, weil das wichtig für Körper und Gesundheit ist, doch am Ende drängt das schlechte Gewissen immer zurück an den Schreibtisch. Und wenn man sich mal erlaubt, eine Folge einer Serie zu schauen, dann piekst das schuldige Pflichtbewusstsein einem immer wieder in den Bauch. 

"Ey du, du bist doch Vollzeitstudent! Nimm mal dein Studium ernst und setz dich an den Schreibtisch. Alles andere ist gerade viel weniger relevant und das weißt du auch. Also hör endlich auf Spaß zu haben und sei nützlich!"

Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen überzogen, aber unterm Strich fühlt es sich genau so an.
Sagten nicht alle immer, die Studienzeit wäre die beste Zeit unseres Lebens, weil wir so energiegeladen, jung und ungebunden wären?
All das stimmt auch, nur irgendwie wurde mir immer verheimlicht, dass so ein Studium verdammt anstrengend ist. Manchmal fühlt es sich so an, als hätte ich zwei Vollzeitjobs: den, bei dem ich in der Uni präsent und aktiv sein muss und dann noch in den Stunden danach am Schreibtisch. 
Kein Wunder, dass die Semesterferien so lang sind: irgendwie muss man ja die gefühlte Belastung von zwei Vollzeitjobs während des Semesters kompensieren. Zum Glück gibt es die ganzen unbezahlten Pflichtpraktika, damit man ja nie vergisst, es wertzuschätzen, wenn man wirklich mal frei hat.

Natürlich hat es auch viele gute Seiten, Student zu sein. Unschlagbare Vergünstigungen (für zehn Euro in die Philharmonie und auf wirklich guten Plätzen Dirigenten von Weltruhm beobachten), preiswerte Unisportkurse mit riesigem Angebot, recht frei einteilbare Zeit, keine Verpflichtungen konkreter Arbeitsstunden pro Woche wie in einem regulären Job. Der große Haken ist, dass man selbst für sich und seinen Erfolg verantwortlich ist. Niemand sagt dir, dass du lernen musst, am Ende des Tages erwarten aber alle, dass du es getan hast. Und wenn nicht hast du ein Problem.

Wenn es darum geht, vernünftig zu sein und sich selbst zu disziplinieren, bin ich ganz vorn mit dabei. Nach neun Semestern Medizinstudium bin ich es aber inzwischen sehr müde, nur in den Semesterferien ein wenig Freizeit ohne schlechtes Gewissen zu haben.
Wie machen das die anderen? Sind die einfach klüger, sodass sie das alles mit links schaffen? Ist es ihnen egal, mit welcher Note sie durch die Prüfungen rutschen und sie spielen vier gewinnt? Wahrscheinlich verschweigen sie auch einfach, welch einen Stress einem das Studium aufbürdet und leiden genauso wie ich.

Das schriftliche Staatsexamen steht bei mir in nicht zu ferner Zukunft an und mir graut bei dem Gedanken daran vor den Stunden des Lernens, der Isolation am Schreibtisch mit einem Berg von Büchern und all den Erlebnissen und Unternehmungen, die ich mir aus Vernunft verkneifen müssen werde.
Das sind so Momente, in denen ich mir wünsche, einfach irgendeine Ausbildung gemacht zu haben. Dann wäre ich längst fertig und hätte mehr Leben vom Leben. Ich würde abends nach Hause kommen und hätte einfach mal frei. Verrückte Vorstellung!
Andererseits muss ich sagen, dass mir die ärztlichen Tätigkeiten unglaublich viel Spaß machen. Mit Patienten zu kommunizieren, Körper zu untersuchen und nach der richtigen Diagnose zu fanden macht einfach Bock. Jemandem helfen zu können ist dazu eins der besten Gefühle, die ich mir vorstellen kann. Kurz: ich bereue es nicht, mich für ein Medizinstudium entschieden zu haben. Ich wünsche mir nur manchmal, dass es schon abgeschlossen wäre und der ganzen Stress hinter mir läge. Denn auch wenn das Berufsleben sicher anstrengend ist: nach Hause zu kommen und wirklich frei zu haben und ohne schlechtes Gewissen selbst seine Freizeit einzuteilen, muss unfassbar gut sein.

Wie geht es den Studenten unter euch: fühlt ihr euch auch so sehr unter Druck gesetzt?